Ich bin auf dem Weg nach Portugal und Galicien. Zunächst aber geht es nach Madrid um dort meine Frau vom Flughafen abzuholen und dann gemeinsam die Reise fortzusetzen. Auf der Route liegen nord-westlich von Saragossa die Bardenas Reales, eine Halbwüste, wo es wie im Western aussehen soll. Die Berichte im Internet versprechen einiges, also nichts wie hin.
Gestern Abend bin ich, begleitet von Schauern, durch die grünen Ausläufer der Pyrenäen bis zum Örtchen Bardenas gefahren. Der Campingplatz liegt an einem See und ohne Mückenspray wäre ich wahrscheinlich nach wenigen Minuten blutleer gewesen. Am nächsten Morgen ist alles feucht vom Tau. Hier soll es eine Wüste geben? So recht kann ich es nicht glauben.
Wie immer habe ich mich vorweg zu wenig informiert. Wo finde ich denn eigentlich den "Eingang" zur Wüste. Eine nette deutsche Familie mit martialisch aussehendem, Allrad-VW Bus ist bestens präpariert. Sie sind auf einer Offroad-Tour mit detailliertem Roadbook und heute steht eines der Highlights an. Nachdem ich mir die Karte angeschaut habe, bekomme ich noch eine Flasche Mineralwasser geschenkt um in der lebensfeindlichen Umgebung nicht zu verdursten. Vor dem Campingplatz zieht sich ein Gruppe von Endurofahrern die Helme an. So langsam frage ich mich, ob ich mit meiner vollbeladenen Straßenmaschine hier vielleicht fehl am Platze bin.
Andererseits, was unterscheidet eigentlich meine R1200 R von einer GS: Das kleinere Vorderrad, das deutlich geringere Gewicht und eine Sitzhöhe, bei der ich mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehe Wenn Gott und die Welt mit den riesigen Reiseschiffen um die halbe Welt fährt, schaffe ich das bestimmt auch. Also stürze ich mich einfach mal in das Abenteuer.
Um es vorweg zu sagen: Egal mit was Ihr unterwegs seid, ob mit Vespa-Roller, Sportler oder fetter Harley: Das bisschen Schotterstraße schafft jeder. Lasst euch nicht abhalten und gönnt euch diese einzigartige Landschaft. Jeder Meter lädt zum Staunen und Photographieren ein.
Vom Campingplatz aus führt der Weg zum nordöstlichen Eingang durch weite Getreidefelder. Allmählich wird der Bewuchs dünner, die Gegend trockener. Ein paar Zypressen hier und da als Farbtupfer und überall Schotterwege. Das richtige Terrain für die Endurofahrer, die vor ein paar Minuten von der Hauptstraße abgebogen sind.
Die "Wüste" ist ein gut ausgeschilderter Naturpark und der Reiz liegt nicht nur in der grandiosen Landschaft sondern in den vielen kleinen Details. Der bunten Blume am staubtrockenen Wegesrand, der dicken Spinne, die mitten in ihrem Netz auf Beute wartet oder dem Hagebuttenstrauch, dessen rote Früchte sich malerisch von der trockenen Umgebung abheben.
Die Nutzung der Wege ist obligatorisch, mit der Enduro quer durch die Pampa ist also nicht. Dazu bietet sich das Areal außen herum viel besser an.
Die Route selbst besteht aus einer ausgeschilderten Rundtour von vielleicht 50 Kilometern. Die erlaubten Wege sind mit kleinen Steinen markiert.
Die recht gut gepflegte Schotterstraße bereitet der R 1200 überhaupt keine Probleme. Erstaunlich, was so eine elektronisch gesteuerte Gabel alles wegsteckt. Natürlich merkt man die kleinen Räder und den hohen Luftdruck, aber ein wirkliches Problem ist das nicht. Anfangs bekomme ich noch einen Schreck, wenn mal wieder ein etwas größerer Stein mit einem Knall zur Seite fliegt. Aber langsam werde ich mutiger und kann beim Fahren den Blick in die weite Landschaft genießen.
Ich fahre jetzt schon eine ganze Weile. Es ist wunderschön, aber wirklich aufregend sieht das Ganze noch nicht aus. Doch je weiter ich in das Gebiet hinein fahre, umso mehr weicht die Landwirtschaft zurück, die kahlen Lehm und Felsgebilde rücken in den Vordergrund.
Der ein oder andere zerfallene Bauernhof könnte die Kulisse für einen Western bieten. Spätestens jetzt hat mich das Photofieber gepackt. Lohnende Motive gibt es zu Hauf. So können die 50 Kilometer verdammt lang werden! Mir geht schon durch den Kopf, ob ich meinen Zeitplan anpassen und noch einen Tag hier bleiben sollte.
Doch was passiert jetzt? Innerhalb von nur 5 Minuten habe ich die beiden nächsten Photos gemacht. Gerade noch blauer Himmel, Sonnenschein, Windstille und sommerliche Wärme, und kurz darauf ein Temperatursturz mit bedecktem Himmel und Sturmböen, die überall Staub aufwirbeln. Das Fahren wird richtig anstrengend. Der Seitenwind verlangt auf dem Schotter hohe Konzentration und der Staub ist tatsächlich überall. In der Nase, auf Augenbrauen und Wimpern, im Tankrucksack, ...... Jetzt beginnt es auch noch leicht zu regnen. Verdammt, warum bin ich denn in eine Wüste gefahren?
Dafür schaut die Landschaft jetzt tatsächlich so spektakulär aus, wie ich gelesen hatte. Und der Spuk vergeht noch schneller als er gekommen ist. Regen weg, Wolken weg, Wind weg, Sonne da. Die krasse Landschaft aber bleibt und jedes Motorradbild könnte für einen Werbekatalog gemacht worden sein. So stellt man sich den Südwesten der USA vor. Fehlt nur noch, dass jetzt wirklich eine Harley vorbei kommt.
Der kleine Abstecher in die Bardenas Reales hat sich mehr als gelohnt. Ich hätte das so kurz hinter den Pyrenäen nicht erwartet. Es ist kein riesiges Gebiet, aber eine solche Landschaft sieht man in Europa, wenn überhaupt, dann nur selten. Im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte das Motorrad auch mal gegen die Wanderschuhe getauscht und einige Dinge im Detail erkundet.
Fahrerisch war die Tour sicherlich keine besondere Herausforderung. Aber tatsächlich macht so leichter Schotter nach tagelanger Kurvenhatz in den Bergen auch mal Spaß. Wenn ihr in der Gegend seid: Es lohnt sich. :bye:
Kommentare 10