Im sonnigen Süden Frankreichs befindet sich die Côte d´Azur, die französische Riviera. Hier kann man nicht nur auf den Spuren der Schönen und Reichen wandeln, sondern auch richtig gut Motorroller fahren. Verlässt man die Küste, gelangt man auf kurvenreichen Strecken direkt in das hügelige Hinterland.
Wir erobern zuerst einmal den Col de l’Espinouse, der mit seinen 828 Höhenmetern allerdings nur ein kleiner Hügel zum Warmfahren ist. Der Pass überquert den Nordost-Zipfel des Plateau de Valensole, dessen Lavendelfelder zu dieser Jahreszeit bereits abgeerntet sind. In Moustiers-Sainte-Marie, einem provenzalischen Bergdorf, ist der erste Cafè au Lait des Tages angesagt. Wir queren den Verdon, dessen türkisfarbenes Wasser sich unweit des Orts durch hohe Felsen in einen der schönsten (Stau-)Seen Südfrankreichs, den türkisfarbenen Lac de Sainte-Croix, ergießt. Ein kurzes Stück gleitet unsere Honda Silver Wing FJS 600 am Seeufer entlang, dann führt uns die D19 abseits der Touristenstrassen nach Aiguines, oberhalb des Lac de St. Croix, am Ausgang des „Grand Canyon du Verdon“. Das Dorf bietet einen hervorragenden Überblick über den See und wird geprägt von dem gleichnamigen Renaissanceschloss.
Was folgt ist eine Reise durch eine mediterrane Landschaft, deren Schönheit durch die Herbstsonne der Provence besonders zur Geltung kommt. Ende September herrscht hier wochentags fast kein Ausflugsverkehr. Ein kleiner “Hüpfer” über den Col de la Grange (619m), dann passieren wir schon das Tal der Argens mit seinen Weinbergen und Landschaften aus rosa Sandstein, Korkeichen und Schirmkiefern. Der Col de Vignon (319m), ein kleiner Pass im Hinterland der Côte d’Azur, ist schnell überwunden. Wie immer in dieser Gegend punkten die kleinen Pässe vor allem mit dem, was die quirlige Küste nicht bietet: einsame Straßen, malerische Dörfer und Zweiradidylle. Wer hier Gas gibt, ist selber schuld.
Wir machen einen kleinen Abstecher zum Lagunenort Port Grimaud. Der im Jahre 1966 künstlich erbaute Hafen wird oft auch als das Venedig am Mittelmeer bezeichnet und ist Anziehungspunkt für jährlich abertausende Besucher. Die Einfahrt in den Hafen selber wird allerdings nur Anlegern gewährt. Der Vergleich mit Venedig ist gewagt und der Tourismus allgegenwärtig. Mein Fazit: darauf kann man gerne verzichten.
Der Motor der Silver Wing erwacht erneut mit sonorem Klang zum Leben. Wir umrunden den Golfe de St-Tropez und wenige Minuten später fahren wir in den kleinen Hafenort und „Wiege des internationalen Jet-Sets“, Saint-Tropez, ein. Im Gegensatz zu den Pkws, welche sich langsam durch die engen Gassen schieben, habe ich mit meiner Siwi keine Parkplatzprobleme. Im Gegenteil; direkt an der Hafenpromenade sind Parkplätze für Motorräder und Motorroller reserviert und so klappe ich den Ständer der Honda direkt unter den Augen der wartenden „Flics“ (frei übersetzt „Bullen“) aus.
Wie auf einem Präsentierteller langweilen sich die Besitzer, Freunde und Bediensteten auf den Decks der pompösen Yachten und Segelschoner unter den staunenden Blicken der Touristen. Ein Bummel durch das Städtchen zeigt, dass Saint-Tropez längst nicht nur Klischee ist. Auf der Hafenmole stellen kreative Künstler ihre Gemälde aus. Die kleinen Lokale sind gut besucht, zahlreiche Spaziergänger, Roller- und Motorradfahrer genießen die Herbstsonne. Lebendiges Treiben, locker und leger. Die Gässchen, Innenhöfe, malerischen Häuserfassaden und edlen Boutiquen verströmen einen gewissen Charme. Wir lassen uns dazu hinreißen, uns in eines der kleinen Cafes direkt in der ersten Reihe am Hafen niederzulassen. Mein Tipp: lasst es sein. Kein Promi hat sich sehen gelassen, noch nicht einmal ein exklusiver Sportwagen ist vorbei geglitten und das bei einem Preis von 9 € für die Tasse Kaffee.
Als wir Saint-Tropez verlassen, schiebt sich eine schier endlose Blechkarawane stadtauswärts. Stop an go, Stop and go…! Die französischen Motorrollerfahrer scheint das nicht zu stören, haben sie doch eine ganz einfache Lösung für das Problem. Ein kurzes Zögern, dann schließe ich mich den einheimischen Scootern an. Mit Vollgas über den gepflasterten Mittelstreifen und oh Wunder - die Autos fahren nach rechts und geben den Weg frei. Das Ganze ist ein Spaß der besonderen Art.
Was kann noch schöner sein? Richtig, die anschließende Kurvenräuberei. Schnell finden wir uns auf der winzigen D14 mitten im Blätterwald des „Forêt des Maures“ wieder und gewinnen langsam wieder an Höhe. „Massif des Maures“ nennt sich das noch ziemlich unberührte Küstengebirge im Hinterland von St.-Tropez mit seinen zahlreichen Bergsstraßen. Korkeichen und Eukalyptusbäume huschen vorbei.
Der Col de Taillude (411m), der leider keine wirklich guten Ausblicke bietet, verschwindet hinter uns.
Im 1.900-Seelen-Idyll Collobrières, finden wir ein Quartier für die Nacht. Das alte Dorf, inmitten von Kastanien- und Eichenwäldern, gilt als „Hauptstadt der Kastanie“. Malerische Häuser in Pastellfarben säumen den von einer uralten Steinbrücke überspannten Real Collobrièr. Ein leichter Windhauch schiebt ein paar heruntergefallene Blätter der mächtigen Platanen über den beinahe menschenleeren „Place de la Libération“.
Den Tag lassen wir auf der über dem Fluss gelegenen Terrasse des „Hotel des Maures“ ausklingen. Während über uns die Sterne am Himmel funkeln, versuchen wir die Menükarte (nur auf Französisch) zu entschlüsseln. Schließlich lassen wir uns einfach überraschen und werden nicht enttäuscht. Alles ist lecker und der Rotwein schmeckt auch.
Am nächsten Morgen zeigt sich der Ort wie verwandelt. Gegenüber dem Hotel sind Marktstände aufgebaut. Zahlreiche Händler bieten ihre Waren feil. Käse und Wurst, Knoblauch, Obst, Gemüse und sogar Reizwäsche liegt auf den Tischen. So verschlafen der Ort am Abend zuvor noch wirkte, so lebhaft gibt er sich nun.
Schade, dass wir das Dorf nach nur einer Nacht wieder verlassen müssen, aber die Räder sollen schließlich rollen. Leider werden wir nach wenigen Kilometern erst einmal ausgebremst. „Route barrée“ - Straße gesperrt - zeigt uns ein knallrotes Schild unmissverständlich an. Der Geruch frischen Teers liegt in der Luft. Zurück oder „Augen zu und durch“ ? Straßenarbeiter sind nicht zu sehen, also „übersehe“ ich den Hinweis und rolle daran vorbei. Kaum schneller als Schrittgeschwindigkeit; die Strecke zieht sich endlos dahin. Splitt prasselt gegen die Schutzbleche, unter dem Helm bildet sich ein Biotop. Irgendwann ist es geschafft und am „Col des Fourches“ (535m) werden der Honda wieder die Sporen gegeben. Die kurvenreiche Strecke bietet viel Fahrspaß hinunter nach Gonfaron.
Entlang des „Lac de la Fontaine d'Ajon“ führt uns das Asphaltband nordwärts. Weinberge, Wälder, sanfte Hügel soweit das Auge reicht. Ein verwittertes Straßenschild weist auf die Abbaye du Thoronet hin. Spontan verlassen wir die geplante Route und stoßen unweit des Flusses Argens auf ein altes, sehr ursprüngliches Zisterzienserkloster. Erbaut im 12 Jahrhundert bildet es zusammen mit den Klöstern „Notre-Dame de Sénanque” und “Silvacane“ die so genannten „drei provençalischen Schwestern”.
Nach einer kurzen Besichtigung verführt uns das gegenüber liegende Kiosk zu einem Happen warmen Ziegenkäses mit Honig und Walnüssen. Lecker!!!
Die Straßen sind weiterhin nahezu leer und laden zum entspannten Gleiten ein. Über uns das dichte Blätterdach uralter Korkeichen. Die geschälten, rotbraunen Stämme der Bäume sind ein recht ungewohnter Anblick. Die Silver Wing schnurrt nur so über den Asphalt, die Gashand ist in Aktion und so finden wir uns schon bald am Südwestufer des Lac de Sainte Croix wieder. Zeit, uns und der Siwi eine Rast zu gönnen. Wie ein Smaragd liegt der tiefblaue See unter uns, umgeben vom bunten Herbstlaub dichter Wälder. Ein leichter Wind kräuselt die Wellen. Ein traumhafter Anblick und ein wunderbarer Tagesausklang.
Weitere Reiseinfos, Tourdaten (gpx)
und eine Bildergalerie findet ihr auf meiner HP >>>
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