Seen ohne Ende
Ein kurzer Halt am ruhigen Schliersee, dann zieht es uns weiter zum berühmten Tegernsee, einer der Top-Destinationen Bayerns, die touristisch perfekt erschlossen ist. Kleine Wolken spiegeln sich im blassblauen Gewässer, im Hintergrund die bayrischen Voralpen; das ist schon einen Fotostopp wert. Es zieht uns entlang der Uferstrasse südwärts und so wird der See schon bald im Rückspiegel von Bäumen verschluckt.
Der gut ausgebaute Achenpass (941), der Wildbad Kreuth mit Achenkirch in Tirol verbindet, stellt keine fahrerische Herausforderung dar. Die Passhöhe fliegt in einem Rechtsbogen vorbei. Es geht hinunter zum fjordartigen Sylvensteinspeicher, der nach einer natürlichen Engstelle im oberen Isartal benannt ist und mit seiner imposanten Brücke und azurblauem Wasser ein häufig „geschossenes“ Motiv vor einer alpinen Bergkulisse bildet.
Ein kurzer Spurt auf breitem Asphalt, dann bremst uns die Mautstelle in Vorderriss aus. Das schmale Asphaltband nach Wallgau führt uns entlang der graugrünen, gurgelnden Isar. In der Ferne ragen die schroffen, über 2.000m hohen Kalkfelsen des Karwendelgebirges empor. Bayern wie im Bilderbuch!
In gemütlichen Schwüngen pendeln wir durch sanfte Buckelwiesen zum Walchensee, einem der tiefsten und größten Bergseen Deutschlands. Bis heute hält sich hartnäckig das „Gerücht“, im April 1945 habe die Wehrmacht einen Teil der Reichsbank-Goldreserven - über 300 Säcke mit Goldbarren und Münzen - am Ufer vergraben oder im See versenkt. Gefunden wurde der Schatz allerdings bis heute nicht.
Die Uferstraße durch kleine Örtchen, gewürzt mit herrlichen Ausblicken, zählt zu den schönsten Bayerns.
Zwischen Urfeld am Walchensee und dem Kochelsee führt die B11, eine ehemalige Bergrennstrecke über den Kesselberg (858). Eine neun Kilometer lange Traumstrecke mit Kurvenrauschgarantie (Hinweis: die Straße ist an Wochenenden und Feiertagen in Richtung Walchensee für Motorräder gesperrt).
Im Loisachtal erreichen die Motoren dann wieder normale Betriebstemperatur, ehe wir über den „Ettaler Sattel“ (869) ins Ettal abbiegen. Wir touren jetzt inmitten der Ammerländer Alpen. Die mächtige Kuppel des Klosters Ettal, eine ehemalige Benediktinerabtei, taucht vor uns auf. Ein Schild weist den Weg zur „Königlichen Villa“ Schloss Linderhof, ein Schloss des Märchenkönigs Ludwig II, hin. Eng stehen die Tannen des Ammerwald und des Ettaler Forsts. Die Sonne wirft Schattenspiele durch die Zweige auf den Asphalt.
Die Grenze zu Österreich ist kaum noch zu erkennen und so schwingen wir uns gemütlich entlang der kurven- und aussichtsreichen Uferstraße des Plansees. Der herrlich gelegene Bergsee gehört eigentlich zum Pflichtprogramm aller Motorrollerfahrer. Zeit für ein Foto muss sein. Von einer nahen Weide läuten Kuhglocken herüber und in der Ferne brummt ein Traktor.
Hinter Reute folgen wir ein paar Kilometer dem Lech, um dann ins Tannheimer Tal, einem malerischen Hochtal an der Grenze zwischen Tirol und dem Allgäu, abzubiegen. Die kurvenreiche Talstraße führt entlang sattgrüner Wiesen mit (hoffentlich) glücklichen Kühen. Dazwischen urige Bauernhöfe und kleine Dörfer mit prächtigen Zwiebeltürmen, die dem weißblauen Himmel entgegenstreben.
Das 1.178m hoch gelegene Oberjoch leitet uns in 106 (!) Kurven und Kehren hinüber nach Bad Hindelang im Allgäu. Die Serpentinen der Südwestrampe sind dabei durchaus fahrerisch anspruchsvoll. Da kommt echtes Schräglagenvergnügen (ja, ist auch mit einem Motorroller möglich!) auf. Es lohnt sich, am Aussichtspunkt Kanzel in die Eisen zu steigen und die atemberaubende Bergsicht zu genießen, ein Blick, der seinesgleichen sucht.
Wo die Donau versinkt
Nach einem gemütlichen Frühstück starten wir von Sonthofen in einen sonnigen Sommertag. Um ehrlich zu sein, wir wollen starten. Der Motor meiner Siwi brummt erwartungsfroh, ich schlage den Lenker ein ….und schon liege ich wie eine Schildkröte rücklings auf der Strasse. Mit über 250 Kg nagelt mich die Silver Wing auf dem Boden fest. Erst als Michael beherzt zupackt, kann ich mein Bein unter ihr wegziehen. Was soll ich sagen; eindeutig ein Fahrfehler, aber das bleibt ja unter uns ;-). Die nächsten Kilometer brauche ich erst einmal, um den Kopf wieder „frei“ zu bekommen. Dazu ist die beschauliche Nebenstrasse nach Oberstdorf wie geschaffen. Der Ort mit seiner weltberühmten Skisprungschanze liegt in einem weiten Talkessel, malerisch eingerahmt von den teilweise noch schneebedeckten Alpengipfeln.
Hinter Tiefenbach quetscht sich das Sträßchen durch einen schmalen Felsdurchbruch, schlängelt sich um den Ochsenberg (1.179m) und strebt Obermeiselstein zu. Hier beginnt der Aufstieg zum Riedbergpass, mit 1.420m Höhe Deutschlands höchst gelegene Passstraße und mit Steigungen bis zu 16 % wahrscheinlich auch eine der steilsten. Die Strecke windet sich entlang der Schönberger Ache“ nach Westen, ist sehr gut ausgebaut und da richtige Serpentinen fehlen, einfach schön und locker zu fahren. Auf der Passhöhe gibt’s neben einem Parkplatz und dem Passschild nur einen schönen Blick auf die Bergwelt.
Vom Balderschwanger Hochtal mit seinen dunklen Bergwäldern und blumenübersäten Alpwiesen machen wir einen Schwenk nach Österreich, tauchen in den Bregenzer Wald ein und stoßen über die Allgäuer Käsestrasse hinter Scheidegg auf die schon bekannte Deutsche Alpenstrasse (B308). Hier geht‘s gleich richtig los: sieben Kehren, in denen sich der „Rohrach Anstieg“ 400 Höhenmeter mit bis zu 9 % Gefälle nach unten windet. Ein Genuss!
Ganz allmählich nähern wir uns den Weiten des Bodensees. Die Landschaft wandelt sich. Obstplantagen und Hopfengärten bestimmen nun das Bild. Dazwischen öffnet sich uns immer wieder ein Blick auf den liebevoll „Schwäbisches Meer“ genannten See.
Ein enges Tal, mächtige, fast 200m senkrecht in den Himmel ragende Kalksteinfelsen. Wir haben den "Schwäbischen Grand Canyon", das „Obere Donautal“, erreicht. Die Donau, die hier noch ein braves Flüsschen ist, hat zwischen Beuron und Tuttlingen eine außergewöhnliche Berglandschaft erschaffen. Immer wieder erheben sich hoch über uns mittelalterliche Burgen und Ruinen. Zwischen grünen Auen schlängelt sich der Fluss durch die Felslandschaft und wir folgen ihm gerne.
Eingekesselt von hohen Felswänden taucht das Kloster Beuron vor uns auf. Zeit, für einen Latte Macchiato im Cafe Drahtesel am Fuße des Klosters. Einfach die Seele baumeln lassen und die Stille genießen. Ach ja, „Seelen“ kann man an diesem geistigen Ort auch kaufen
Wir fahren direkt an der Donau entlang, deren Wasser klar und dunkel schimmert. Das ist hier nicht selbstverständlich, denn jedes Jahr wiederholt sich an der jungen Donau zwischen Möhringen und Immerdingen ein einmaliges Naturschauspiel. Die Donau verschwindet komplett im Untergrund und hinterlässt ein trockenes Flussbett. Donauversinkung, nix ist dann mehr mit Wasser!
Dunkle Wälder und eine berühmte Torte
Wir wischen die letzten Tropfen des Morgentaus von unseren Sitzbänken und erwecken die Motoren zu neuem Leben. Der Schwarzwald ruft, und wir lassen uns nicht zweimal bitten. Von der Hochebene der Baar dringen wir in den südöstlichen Hochschwarzwald ein. „Silva Negra“ bezeichneten die alten Römer dieses dichte, kaum zu durchdringende, Waldgebiet. Wir queren die Wutach, einen der letzten ungezähmten Wildflüsse der deutschen Mittelgebirge. Die Rothausbrauerei müssen wir leider rechts liegen lassen, so verführerisch es auch ist. Alte, dunkle Schwarzwaldhäuser mit ihren heruntergezogenen Dächern prägen die Orte. Ein farbiger Vorhangs aus Geranien und Petunien überrankt die Balkone.
Malerisch in dichte Wälder eingebettet und von Deutschlands höchstgelegener Talsperre aufgestaut, glänzt das unergründliche Wasser des Schluchsees vor uns. Wir folgen der Alb, die dem romantischen Tal seinen Namen gibt, passieren St. Blasien mit seinem Dom - mit 36 Metern im Durchmesser und 62 Metern Höhe der Größte seiner Art nördlich der Alpen - und den steilwandigen Gletscherkessel Präg, um dann auf schmalem Asphalt, durchs Obere Wiesental, dem Belchen zuzustreben.
Was wäre jedoch eine Schwarzwaldtour ohne Schwarzwälder Kirschtorte? Die gibt es für uns im Gasthof Belchen-Multen an der Belchenstrasse; natürlich hausgemacht!
Der Belchen (1.414) ist angeblich einer der schönsten Berge im Schwarzwald (so steht`s zumindest im Reiseführer). Da gibt es sicher schönere, aber zumindest punktet er von der waldfreien Kuppe mit einer schönen Aussicht.
Der nahe, 1.284 m hohe Schauinsland ist am Wochenende und an Feiertagen zwar für Motorroller- und Motorradfahrer gesperrt, aber davon sind wir glücklicherweise nicht betroffen. In früheren Zeiten wurde er wegen des Silberbergbaus auch „Erzkasten“ genannt. Legendär ist das zwischen 1923 und 1984 dort ausgetragene ADAC-Schauinsland-Rennen. Wir folgen einem Teilstück der bis heute längsten und kurvenreichsten Bergrennstrecke Deutschlands zur Passhöhe.
Der Blick schweift über Freiburg hinweg zur Rheinebene, zuden Rebhängen des Kaiserstuhls und bis hinüber zu den Vogesen.
Von St. Peter führt uns die L186 in recht anspruchsvollen Kehren und Kurven über einen der höchsten Schwarzwaldgipfel, den Kandel (1.241). Hier oben kann man nur den Motor abstellen und die Stille und den Blick über den Schwarzwald genießen.
Wir gleiten durchs Etztal, machen im historischen Haslach im Kinzigtal noch einen Boxenstopp und touren durchs Harmersbachtal, bevor wir nach einer Kurvenorgie in Richtung Allerheiligen die legendäre Schwarzwaldhochstrasse (B500) unter die Räder nehmen. Genüssliches Cruisen ist die nächsten Kilometer auf der Höhenstraße angesagt und die Aussicht auf die Rheinebene und die nahen Vogesen gibt’s gratis dazu. Am höchsten Punkt der Traumstraße treffen wir auf den geheimnisvollen Mummelsee. Nixen, Zwerge und sogar ein König sollen im See am Fuße der 1.164m hohen Hornisgrinde gelebt haben. Von den angeblich bildschönen Nixen haben wir leider nichts gesehen, dafür aber Blechlawinen und Unmengen von Touristen.
Der Tag neigt sich bereits dem Ende zu, als wir im Bühlertal, in der Nähe der Badischen Weinstraße, die Zündschlüssel umdrehen und die Motoren schweigen.
Störche und ein guter Wein
Am Rheinknie „Alter Kopfgrund“ bei Lichtenau wechseln wir die Landesgrenze nach Frankreich. Eine Brücke gibt’s dort keine, dafür eine Autofähre nach Drusenheim. Ich krame schon etwas Kleingeld raus, doch oh Wunder, die Fahrt ist kostenlos. Dem französischen Staat sein Dank!
Die Hopfenfelder auf den Höhen künden es schon weitem an: Wir nähern uns Hochfelden, der Stadt der Bierbrauer. Die Landschaft wird hügeliger. Vor uns taucht die graugrüne Kette der Vogesen auf. Störche stolzieren über die Wiesen; wir sind im Elsass.
Am Südzipfel des „Parc naturel régional des Vosges" liegt Saverne mit seinen alten Fachwerkhäusern. Die Stadt wird als "Elsässisches Versaille" bezeichnet.
Das Château des Rohans, ein herrschaftliches Schloss aus dunkelrotem Sandstein und mit einer 140 m langen Fassade, prägt das Stadtbild. Es zeugt vom Reichtum vergangener Zeiten. Am Schlossplatz fällt das berühmte „Maison Katz“ aus dem Jahr 1605 mit seinen prachtvollen Fachwerkschnitzereien ins Auge. Drum herum reihen sich natürlich die üblichen Touristenlokale aneinander. Mitten auf dem Platz dreht sich ein Kinderkarussell. Der Rummel ist natürlich Geschmacksache.
Bei Saverne schnürt sich der Vogesenkamm auf ganze 6 km, die schmalste Stelle der Vogesen, zusammen. Wir verlassen die Stadt auf der Route de Lutzelbourg entlang des Rhein-Marne Kanals und tauchen sofort in die Stille der Vogesen ein. Nur etwa 5 km außerhalb der Stadtmauern wacht die Ruine eines einst mächtigen Schlosses, das "Auge des Elsass", auf dem Burgberg von Haut-Barr, über die elsässische Weinstraße.
Dass wir wieder in Deutschland sind, erkennen wir nur an den geänderten Kfz-Kennzeichen. Eine sichtbare Grenze gibt es nicht mehr. Wir gleiten ein paar Kilometer an der Saar entlang und schwenken dann wieder ins Hinterland ab, wo uns schon bald Weinhänge begleiten, Vorboten der nahen Mosel. In Palzem, einem kleinen Weinort an der Obermosel, lassen wir unsere Tour durch Süddeutschland - im wahrsten Sinne des Wortes - ausklingen. Auf der Terrasse unseres Gasthauses, hoch über den Fluten der Mosel mit Blick hinüber nach Luxemburg, lässt eine Band den Blues aufleben. Traumhaft!
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