Die Mittelgebirge der Franche-Comté sind ein relativ unbekanntes Motorrollerparadies. Mittelalterliche Ortschaften und Bauernhäuser mit den typischen Tuyé-Kaminen des Haut-Doubs, malerische Abteien, zerklüftete Täler, dunkle Wälder, karge Hochflächen, smaragdgrüne Seen und Wiesen mit gefleckten Kühen prägen die Landschaft.
Franche-Comté - nie gehört, ehrlich gesagt. Ein schneller Blick ins weltweite Netz verschafft mir Klarheit. Eine Region im Osten Frankreichs, direkt an der Schweizer Grenze. Die beste Sozia der Welt und ich nehmen Quartier in der Auberge des 3 ponts im Tal der Cusance. Der Cusancin, der den beiden großen Quellen Source Noire („Schwarze Quelle“) und Source Bleue („Blaue Quelle“) entspringt, hat ein 150m tiefes Tal in die Karstplateaus gegraben. Es ist recht einsam hier. 69 Einwohner, ein paar vereinzelte Bauernhöfe, mehr nicht. In der stockdunklen Nacht beginnt ein Hofhund zu „singen“. Klingt wie Wolfsgeheul, unheimlich!
Zum Start in den neuen Tag gibt es - echt französisch - knuspriges Baguette, Croissant, Hartkäse: Comté und starken Kaffee, dann schwingen wir uns entlang des kleinen Flusses durch das „Vallée du Cusance“. Kein Verkehr, gelegentlich ein Traktor, ansonsten Ruhe, Sonnenschein und der Duft nach frisch gemähtem Gras - wunderbar!
In Baumes-les-Dames stoßen wir erstmals auf den Doubs. Insgesamt 453 km lang, sind Quelle und Mündung des Flusses jedoch nur 90 km voneinander entfernt.
Entlang des „Canal du Rhône au Rhin“ (Rhein-Rhone-Kanal) und dem Ufer des Doubs touren wir westwärts und plötzlich haben wir aus dem lichten Wald heraus einen umwerfenden Blick auf die befestigte Altstadt von Besançon. Die Hauptstadt der Region Franche-Comté liegt in einer Schleife des Doubs und wird überragt von einem mächtigen Bollwerk des Festungsbaumeisters Vauban. Da eine Siwi keine Parkplatzprobleme kennt, stellen wir sie mitten in der Stadt, die weltberühmt für die Herstellung von präzisen und teuren Uhren ist, ab. Wir bummeln gemächlich durch die Strassen und genießen das französische Flair mit allen Sinnen gemäß dem Motto: "vivre le temps” - genieße die Zeit. Ein Grand café gehört da natürlich dazu.
Nach einem entspannten Ritt über schmale Departementstrassen, die sich wie ein Spinnennetz durch die Landschaft ziehen, machen wir einen kurzen Fotostopp am mächtigen Château de Cléron, am Südufer der Loue. Das Schloss mit seinem hohen Bergfried und vier Ecktürmen bildet mit einer gotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert und einer Steinbogenbrücke, welche die Loue überspannt, ein beeindruckendes Ensemble.
Entlang der sich windenden Loue erreichten wir Ornans, das den Beinamen „la petite Venise“ (das kleine Venedig) trägt. Alte Häuser drängen sich entlang des Flusses, hängen absturzgefährdet über den Fluten. Vor einem winzigen Restaurant am Place Gustav Courbet, welches mehr an eine alte Garage als an ein Restaurant erinnert, klappe ich den Seitenständer aus. Den warmen Ziegenkäse auf der Karte gibt es ist leider nicht, Auberginentarte ebenso wenig. Ein extrem deftiger „Salade Comtoise“ ist noch zu haben; man wird bescheiden und immerhin sitzen wir hier recht gemütlich unter uralten Platanen.
Eine Felsenge der D67 im „Vallée de la Loue“ eröffnet den Kurvenreigen. Die Kurven drängen sich hier auf nur wenigen Kilometern. Unten im Tal rauscht, von steilen Felswänden eingeschlossen, der Fluss. Meine Silver Wing ist ganz in ihrem Element. Der Motor gibt ein sonores Brummen von sich und die Bremsscheiben sirren. Montgesoye, Vuillafans, Lods, Mouthier-Haut-Pierre - seit Jahrhunderten unveränderte alte Dörfer reihen sich aneinander. Es ist fast eine Zeitreise. Übrigens: Lods gehört als Bilderbuchstädtchen zu den 100 schönsten Dörfern Frankreichs. Es besteht daher hier Anhaltezwang mit Fotografierpflicht.
Kurz vor Pontarlier, der Hauptstadt des Absinths, stoßen wir wieder auf den Doubs. In geschmeidigen Kurven zieht sich das Asphaltband durch ein einsames Hochtal, während sich der Fluss durch sanfte Auen schlängelt. Die ehemalige Abtei von Montbenoît huscht vorbei. Plötzlich ändert sich das Bild. Schroffe Kalkfelsen tauchen auf. Der Doubs, eben noch ein Wald- und Wiesenfluss, hat sich hier durch die Jahrtausende tief in den Fels gefressen. Wir sind in der „Défilé d'Entreroche“. Ein Schild "Achtung! Kurven auf 7 km” taucht kurz am Straßenrand auf. Straße und Fluss schneiden sich in eleganten Windungen mitten durch das Juragestein. Felsüberhänge schweben über der Fahrbahn und sorgen für beeindruckenden Fahrspaß. Kaum haben wir uns an dieses wilde Kurvenabenteuer gewöhnt, beruhigt sich der Doubs wieder und die Straße der Uhren beginnt.
Hinter Villers-le-Lac verlieren wir den Fluss zwischen unzugänglichen Schluchten und stehen plötzlich vor einem unscheinbaren Zollhäuschen im Niemandsland. Wir sind nun auf schweizer Staatsgebiet und prompt verfahre ich mich. Gerade noch auf einer Straße rollen wir nun auf einem Feldweg dahin, der sich allerdings recht malerisch durch weite Wiesen am Hang entlang zieht. Dichter Wald nimmt uns auf, um uns bald darauf wieder auszuspucken. Wir sind allein in der Einsamkeit (wenn man Kühe nicht mitzählt). Diese endet auf der Cote du Doubs, die uns zurück nach Frankreich und somit in die malerische „Corniche de Goumois“ bringt. Felsige Steilhänge, manche mit Bäumen bewachsen. Gelegentlich graugrüne Weiden. An der 3 km langen Panoramastrecke gibt es herrliche Aussichtspunkte, mehr als 100 m über der Schlucht gelegen. Weit reicht der Ausblick in das tiefe Tal.
Die D 437 spült uns hinunter nach Saint-Hippolyte. Der Marktplatz des Örtchens ist von zahlreichen schweizer und französischen Motorradfahrern besucht, welche noch einmal die Sonne des beginnenden Herbstes genießen.
Wir biegen ins Tal des Dessoubre ab. 300m tief hat sich der Fluss in den Stein geschnitten. Das Tal verengt sich, der Fluss tobt brausend in seinem schmalen Bett. Dann weitet es sich wieder, dehnt sich aus, schafft Raum für kleine Weilern und Ortschaften. Der Fluss ist irgendwo abseits, unsichtbar. Das „Val de Dessoubre“ wird zur Schlucht, der Fluss hat uns zurück; schäumt wild neben der Strasse.
Wir verlassen den Dessoubre und rollen dem Hochplateau des Mont de Belvoir (660m) entgegen. Auf einem Felssporn erhebt sich das gleichnamige „Château de Belvoir“ hoch über das Sancey-Tal.
Auf der schmalen D21, selbst für den Mittelstreifen ist kein Platz, rollen wir wieder ins Vallée du Cusancin ein, das hier an einen tropischen Regenwald erinnert. Ein dichtes, grünes Blätterdach schließt sich über unseren Köpfen, nur gelegentlich durchdringt ein Sonnenstrahl das Dickicht. Moos überwuchert die Felsen, der Asphalt glänzt feucht. Feenwald! Auf Grün folgt Blau. Ein Wegweiser weist uns den Pfad zur Source Bleue. Glasklar sprudelt das Wasser in den blaugrauen Quelltopf unterhalb einer Felswand.
Der Tag geht in der Auberge des 3 ponts kulinarisch zu Ende mit einem Menu Gourmand - und natürlich einem würzigen Stück Franche-Comté.
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