Viele von Euch fahren ja schon seit Jahrzehnten Motorrad und sicher steht in so mancher Garage auch noch das ein oder andere gute Stück aus dieser Zeit. Fahrt und verreist Ihr noch damit? Was macht ihr dabei für Erfahrungen?
Ich fange mal einfach damit an, weil ich gerade mit so einer Kiste auf Tour bin und aktuelles berichten kann. Dann also, los geht's:
Vor 40 Jahren habe ich mir eine BMW 80/7 gekauft. Vor 20 Jahren bin ich damit nach Norwegen gefahren. Und jetzt, wieder 20 Jahre später, habe ich meine R65 gepackt und wieder geht's nach Norwegen. Der Antrieb: Sicher etwas Nostalgie aber vor allem die Neugier, wie man so eine Tour heute empfindet.
Und was glaubt Ihr? Genauso wie früher
Tag 0, ein letzter Check vor der Tour. Das Navi bekommt keinen Strom. Wo kommt der wohl her? Also Tank runter, die fliegende Sicherung dort wird es sein. Tatsächlich ist diese einfach nur oxidiert. Nachdem ich sie abgeschliffen habe, geht wieder alles.
Tag 1, der erste Platzregen und schon zündet der kleine Boxer unter Last nicht mehr richtig. Die Zündkabel und Kerzenstecker müssen wohl spröde sein. Am nächsten Tag in Hamburg neue gekauft und schon klappt alles wieder.
Tag 2, eine wunderschöne Fahrt durch Dänemark. Irgendwie wirken meine Stiefel beim Schalten heute etwas glatt. Da wird doch nicht ... Doch, genau das. Der Vergaser tropft. Ist aber nicht der Schwimmer sondern die eingerissene Korkdichtung. Ein kleines Stückchen Plastiktüte hat seither die Chance, wieder einmal den Spruch zu beweisen: "Nichts hält so lange wie ein Provisorium"
Tag 3: Ich will endlich voran kommen, Norwegen erreichen. Also mal etwas zügig Autobahn fahren. Bei der ersten Tankpause plötzlich extrem hohes Standgas. Ursache unbekannt. Kommt bei den Kisten ja schon mal vor, also kein Grund zur Beunruhigung. Schraubenzieher raus, beide Seiten so eingestellt, dass sie gerade noch laufen. Perfekt So niedrig liebe ich das Standgas bei den alten 2V-Boxern.
Aber wenn ich dann schon mal bei den Vergasern bin, kann auch gleich noch eine kleine Verbesserung gemacht werden. Die harten Gasrückholfedern nervten mich von Anfang an und eine weichere Feder liegt schon seit einer Weile im Werkzeugkasten. Abends auf dem Campingplatz zwei passende Stücke abgezwickt und richtig geformt, schon ist auch dieses Problem gelöst.
Tag 4: Heute funktioniert alles so wie es soll. Bin gespannt auf die nächsten 10 Tage.
Wie fühlt sich denn nun so ein Youngtimer an? Gegenüber den neuen Motorrädern glaubt man ein Spielzeug zu fahren. Total klein und leicht. Die Füße immer fest am Boden und trotzdem mehr Federwegals manche Reiseenduro. Schlaglöcher merkt man kaum. Aber alles ist etwas schwabbelig. Gummikuh halt. Insbesondere mit dem vielen Gepäck. Bei Tempo 40 den Lenker nicht richtig festgehalten, und schon meint man Rodeo zu reiten. Immerhin, sobald man schneller fährt, geht das komplett weg. Aber dann werden auch sofort die Bremswege erstaunlich lang. Also auch ganz genau so wie früher.
Bevor ich 1981 die 80/7 kaufte, hatte ich (fast) nur Motorräder zwischen 9 und 27 PS. Die hat auch meine R65. Für die nordischen Länder mit Tempo 80 auf der Landstraße ist das völlig ausreichend. Zum Überholen muss ich halt etwas im Voraus denken, runter schalten und schon Vollgas geben, wenn das entgegenkommende Auto noch nicht ganz vorbei ist. Dann funktioniert das aber erstaunlich flüssig. Auf der Autobahn fährt sie schneller, als ich dem guten Stück antun will. Der Motor schnurrt leise und fast ohne Vibrationen vor sich hin. Tacho 130 sind laut GPS noch nicht einmal 120. Und dennoch ist Bonn-Hamburg in 5 Stunden eigentlich nicht viel langsamer als mit einer modernen Maschine.
Trotzdem allem steige ich am Ende des Tages nicht so entspannt vom Motorrad wie bei meiner KTM oder der R1250. Das hat sicherlich viele Ursachen. Vor allem muss ich viel bewusster fahren, mich viel mehr auf den Verkehr konzentrieren, rechtzeitig Gas geben, rechtzeitig bremsen, die Gänge viel bewusster einlegen. Früher war das selbstverständlich, aber über die Jahre tritt doch sowas wie Entwöhnung ein.
Erste Beurteilung der bisherigen Tage: Was das Schrauben angeht, ist es tatsächlich wie früher. Nichts gravierendes, aber allerhand Kleinigkeiten. Finger und Klamotten sehen auch aus wie früher, immer etwas schmutzig. Dazu riecht es nach Benzin und mangels Kat umweht mich auch immer mal wieder ein Hauch von Abgas. An das Fahren mit wenig Leistung gewöhnt man sich schnell wieder, zumindest im Reisemodus. Wirklich auffallend ist das ermüdende Fahren.
Ganz anders als früher ist die Wahrnehmung durch andere. Früher war so eine BMW ein Allerweltsmotorrad. Kaum jemand bemerkte dich. Heute wird man an jedem Eck und jedem Ende darauf angesprochen.
So, jetzt bin ich gespannt, wie es euch so ergeht
Grüße, Klaus