Spiel der Kräfte "Motorradfahren in deinem Alter! Du solltest dich schämen!" "Es ist eine Leidenschaft." "Was heißt das?" "Du willst es wissen?" "Erklär´s mir!" Außer der Schutzkleidung, die Du trägst, ist nichts zwischen Dir und dem Rest der Welt. Luft und Wind lasten unmittelbar auf Dir. In diesem Fall bist Du in dem Raum, den Du durchmißt. Kein Behälter umgibt Dich. Da Du Dich auf zwei Rädern befindest und nicht auf vieren, bist Du außerdem dem Boden näher. Nicht unbedingt dichter dran. Viele Autos liegen tiefer als Motorräder. Mit näher meine ich intimer. Du bist in dem Raum, den Du durchquerst, und Du hast Kontakt zur Erde. Nimm zum Beispiel den Straßenbelag. Du registriert all seine möglichen Veränderungen: ob er griffig oder glatt ist, ob er neu ist oder abgenutzt, naß, feucht oder trocken, wo Schlamm ist und wo Schotter, wo die Fahrbahn weiß gestrichen ist (getünchte Flächen sind immer schlüpfrig), wo Metall ist, wo der Wind Staub aufwirbelt, wo sich Spurrillen gebildet haben - stets spürst Du die Bodenhaftung der Reifen oder deren mangelnden Halt auf den wechselnden Belägen, und Du fährst entsprechend. Kurven schaffen eine Intimität anderer Art. Wenn Du richtig in eine Kurve hineingehst, hält sie Dich in ihren Armen, ebenso wie ein Hügel Dich in den Himmel trägt und ein Gefälle Dich empfängt. Jede Höhenlinie auf der Karte des Geländes, durch das Du fährst, bedeutet, daß Dein Gleichgewichtszustand sich ändert. Natürlich ist da eine durchgängige Stabilität, aber sie ist das Ergebnis fortlaufender kleiner Anpassungen als Folge dessen, was Du den Bruchteil einer Sekunde zuvor wahrgenommen hast. Diese Wahrnehmung ist visuell, aber auch taktil und rhythmisch. Oft begreift Dein Körper schneller als Dein Kopf. Und Geschwindigkeit gehört zum Wesentlichen. Damit meine ich nicht unbedingt das Tempo, mit dem Du Dich fortbewegst. Die Anzeige auf dem Tachometer ist von untergeordneter Bedeutung. Die Schnelligkeit, die wirklich zählt, ist die zwischen einer Aktion, die oft eine Reflexhandlung ist, und ihrer Auswirkung. Die Ansprechgeschwindigkeit, ob sie das Lenken, das Bremsen oder das Beschleunigen betrifft. Andere Vehikel mögen in der Tat ebenso schnell reagieren oder noch schneller als ein Motorrad - aber ein Jet, ein hochfrisiertes Auto, ein Speedcart sind Deinem Körper physisch nicht so nah, und sie lassen Deinen Körper nicht ungeschützt. Daher kommt das Gefühl, daß das Motorrad so unmittelbar anspricht wie eines Deiner Glieder - allerdings ohne daß Deine eigenen physischen Kräfte im Spiel sind (wenn Deine Vorstellungskraft in Form von Voraussicht nicht im Spiel ist, dann helfe Dir der Himmel). Diese mühelose Unmittelbarkeit beschert ein Gefühl von Freiheit. Vielleicht sollte ich deutlich machen, was ich damit meine. Ich rede nicht davon, andere Menschen hinter sich zu lassen. Es wäre unehrlich, so zu tun, als sei es nicht zuweilen befriedigend, beim Ampelstart als erster weg zu sein. Aber diese Art der Befriedigung gibt Dir nur eine sehr armselige Empfindung von Freiheit. Nein, die Freiheit ist zwischen einem selbst und dem Raum. Sie hat mit der Vorstellung vom Ziel zu tun, sowohl räumlich als auch subjektiv. Und es sind Deine Augen, mit denen Du zuerst zielst. Wenn Du hier ausweichen und dort hinkommen willst, muß du dorthin blicken, Deine Augen dorthin richten und Du und das Motorrad werden folgen. Im Grunde lenkst Du weder mit den Armen noch mit Deinem Körper, sondern indem Du deine Augen auf etwas heftest (wenn Du anfängst, auf etwas zu starren, dem Du ausweichen möchtest, wirst Du es treffen). Du fährst, wohin Du siehst. Dein "fester Blick" leitet Dich, aber es ist auch, als zerre das, was Du anvisierst, an Dir. Als ziehe es Dich an. Bei langem Fahren spürst Du, daß Distanz eine Anziehungskraft auf Dich ausübt und Dich lockt. Es gibt Leute, die Motorradfahrern vorwerfen, "mit dem Tod zu flirten". Wahr ist, daß der Anteil tödlicher Unfälle bei Motorrädern höher ist als bei anderen Fahrzeugen. Dennoch überzeugt mich der Vorwurf nicht. Vielleicht nehmen Motorradfahrer einen gewissen Abstand vom Alltäglichen und kehren einem guten Teil des Lebens somit zeitweilig den Rücken - aber das geschieht nicht, um einen Tanz mit dem Tod zu wagen, sondern vielmehr, um unbeschwert zu sein, um dem Blick zu folgen. Nach wenigen Stunden Fahrt durchs Land hast Du das Gefühl, daß Du mehr hinter Dir gelassen hast als Städte und Dörfer, durch die Du gekommen bist. Hinter Dir liegen bestimmte vertraute Zwänge. Du fühlst dich weniger erdenschwer als bei Fahrtbeginn. Vor langer Zeit gab es fabelhafte Motorräder einer britischen Marke namens Ariel. Ein sehr passender Name. Am Ende von Shakespeares "Der Sturm" sagt Prospero: "... Mein Herzens-Ariel,/Dies liegt dir ob; dann in die Elemente!/ Sei frei und leb du wohl!..." Mit dem Motorrad anzukommen ist anders als eine Ankunft mit dem Flugzeug, dem Zug oder dem Auto. Mit einem Motorrad kannst Du an irgendeinem Punkt anhalten, und dieses Irgendwo wird zum Ankunftsort. Du machst den Motor aus, nimmst Deinen Helm ab, streckst Dich und reibst Dir den Nacken und dann gehst Du ein paar Schritte die Straße entlang, in einen Wald oder ein Einkaufszentrum. Du siehst dich um. Da ist nichts Spektakuläres oder Pittoreskes. Aber Du hast gehalten, und schon das hat den Ort zu etwas Besonderem gemacht. Er verschmilzt nicht gleich mit all den anderen, denen er so ähnlich ist. Einerseits kommt er Dir vertraut vor - ein Feld oder ein Shopping-Center oder ein dörflicher Winkel wie Tausende anderer, die Du bereits gesehen hast. Und andererseits ist er einmalig, weil bis auf weiteres unmittelbar vor Dir steht, was Dich angezogen hat. Du hast direkt vor Dir, was du anvisiert hast. Und das Einmalige ist dazu bestimmt, fremd zu sein. Zugvögel überqueren Tausende von Kilometern Ozean, fliegen von einem Kontinent zum anderen, um zu demselben Loch unter der Traufe desselben Gebäudes zu gelangen, das sie sechs Monate zuvor verlassen haben. Keiner weiß genau, wie sie sich orientieren. Aber wenn sie ankommen, sind sie sicher, daß sie angekommen sind - sogar die Jungvögel, die den Zug nie zuvor mitgemacht haben. Wenn Du das Motorrad abstellst, bist Du angekommen, Du befindest Dich vor etwas Einmaligem. Kein Vergleich mit dem Öffnen einer Autotür. Nehmen wir an, alle Grundfarben, -töne und -formen der Natur wären in eine Kassette gelegt worden, die wir bei der Geburt geschenkt bekämen. Maler sind die einzigen, die diese Kassette fast in- und auswendig kennen. Sie leeren sie jedesmal, wenn sie zeichnen oder zu einem Pinsel greifen. Die meisten von uns übrigen öffnen kaum den Deckel. Daher sind wir uns - weil alles auf der Welt verschieden aussieht und es nicht einmal zwei Spatzen gibt, die sich völlig gleichen - nicht im klaren darüber, was begrenzt und in der Kassette ist und was unbegrenzt, wie die Zahl der Variationen, die mit dem Inhalt der Kassette möglich sind. Und da wir uns darüber nicht klar sind, verlieren wir eine gewisse Fähigkeit, Überraschung zu empfinden. Wenn Du von Deinem Motorrad steigst und einige Schritte gehst, um Dir eine Straßenecke oder einen Wasserfall anzusehen, kommt Dir diese Fähigkeit zurück, und Du empfängst die neueste Eilmeldung, daß Du lebendig bist und daß die Welt überraschend erschaffen worden ist. Und diese Nachricht registrierst Du, weil Du eine schwache, aber genaue Erinnerung an Freiheit in Dir trägst und weil Du dort angekommen bist, wo Du hinwolltest. So möge es sein. Quelle: John Berger, engl. Schriftsteller
Warum fährst du Motorrad?
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Gelöschter Benutzer -
2. März 2005 um 13:56
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Hallo (Net-)Bikerinnen und Biker Von Freunden, Bekannten und Verwandten - also von "NichtbikerInnen" :roll: - sicher schon des Öfteren immer dieselbe Frage gestellt bekommen: "Warum fährst du Motorrad?" Und? Was habt ihr zur Antwort gegeben? Meine Antwort: Ich fahre Motorrad, weil... - ich besser die Freiheit auf Strassen ausleben kann als beispielsweise mit dem Auto! - ich mich unabhängiger und freier auf der Strasse bewegen kann als beispielsweise mit dem Auto! - ich das Zusammenspiel zwischen Mensch und Motorrad liebe! - ich auf dem Motorrad vom Alltag viel besser abschalten und dadurch wieder neu auftanken kann, wenn ich über den Asphalt fahre und durch die Kurven ziehe! Kurzum: Es macht einfach riesen Spass mit einem Motorrad zu fahren und die Welt damit zu erkunden - aus der Sicht eines Bikers, versteht sich! :twisted:
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Yepp da ist was drann
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Ich antworte Grundsätzlich Dein "Kurzum" Denn nicht Bikern kann man so schwierig erklären, warum man die wenige Knautschzone auf sich nimmt. Vor allem ist mir das auch zu müßig. Ich fahre lieber, als zu erklären Grüße Sanne
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Es gibt viele Menschen, die nach und auf irgendetwas "süchtig" sind :shock: Die Einen brauchen ihren Alkohol, die Anderen ihr Hasch Meine Sucht ist mein Moped und alles was dazu gehört :lol: :lol:
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Warum ? Darum! "Schnell Motorrad zu fahren ist ein extrem brauschendes und herausforderndes Spiel. Das Spiel hat Regeln und Grenzen. Es gibt etwas zu gewinnen und etwas zu verlieren, jeder Teilnehmer an diesem Spiel hat einen Grund, warum er mitmacht. Das Spiel fordert deine ganze Aufmerksamkeit. Ein größerer Fehler kann schwere Folgen haben - so schwere, dass es sich lohnt, das Spiel gut zu spielen"
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Wenn man sich fragt, was tun diese Menschen da draussen im Regen? Wieso bei dieser Kälte? Oder sich sagt: wozu, jetzt wo ich hier sitze mit meiner Familie und gemütlich die Landstrasse entlangrolle, Radio höre, mich mit meiner Frau unterhalte, mit den Kindern scherze, wozu um alles, brauche ich ein solches Ungetüm? Um allein im Regen zu frieren? Hühner und Kleinkinder zu erschrecken? Aber, wenn Du das fragst, hast Du nichts, gar nichts verstanden. Denn der Regen macht Dich klein und er macht Dich gross. Klein und demütig wie einen begossenen Pudel der sich duckt und gross wenn Du ihm stundenlang trotzst. Wenn sich das Hemd unterm Kragen vollgesogen hat, und das Unterhemd, Du spürst es nicht, denn Du wärmst den Regen mit Deinem Körper, die Handschuhe sind durch, Du spürst es nicht, dass sie quietschnass sind, sie fühlen sich nur feucht an, während das Wasser bereits beginnt sich in dem Teil der Schuhe zu sammeln, der zur Strasse zeigt. Du wirst zum Pferd auf einer Weide, zum weidenden Rind in einer endlosen Steppe aus Wasser. Und Du fährst und sippst die Tropfen die vom Visier fallen und in Deinen Bart treiben. Und wenn Du endlich nach Stunden heimkommst, schüttelst Du Dich und überlegst, ob Du das wieder tun wirst. Und Du wirst es wieder tun. Denn die nassen und die kalten Tage sind nur die eine Seite der Medaille und nicht die schlechteste Seite obendrein. Aber was Dich wirklich einfängt, hält und nicht wieder los lässt, das ist der Wind. Der Wind, der im Bart spielt, der an der Hose zerrt, der hineinkriecht in die kleinsten Ritzen Deiner Kleidung, der Dir die Tränen in die Augenwinkel treibt, sie trocknet und kleine Salzkrusten hinterlässt. Der Wind, der Dir tausend Gerüche zuträgt, den Bratenduft zu Mittag in den Dorfstrassen, den Duft nassen Laubs in den Wäldern, den Geruch früher Grillabende am Wochenende, die Blume frisch gefällter Bäume, den harzigen Odem der Sägewerke. Das frisch gemähte Gras, die sommertrockene südliche Landstrasse, die schwül-stickige Luft der Vorstädte, all das trägt Dir der Wind zu und witternd tauchst Du ein in die Wirklichkeit der Welt. Der Radiohörer am Steuer seines Mittelklassewagens sieht nur einen Werbefilm, dem er sowenig Glauben schenkt, wie allen Werbefilmen, er sieht nur diesen winzigen Ausschnitt der Realität und versinkt in Gedanken, bohrt in der Nase und grübelt oder flüchtet sich in Phantasien. Aber Dir bleibt keine Zeit Dich nach innen zu kehren. Du nimmst unmittelbar teil und unmittelbar wahr. Unter Dir rüttelt die Strasse den Rhythmus brandender Bodenwellen und Du hüpfst im Sattel wie ein kleines Kind und könntest schreien vor Spass. Du wirfst Dich in die Kurve, tauchst hinein in das Spiel der Kräfte, wirst Teil ihrer furiosen Choreographie und tanzt Deinen Part bis zum Kurvenausgang. Bist ruhendes Auge eines Wirbelsturms und drehst Dich doch mit. Du führst sie und drückst sie, schiebst sie mit dem Knie. Jeder Fehler den Du machst wirkt sich unmittelbar aus. Es gibt kein Vertuschen, kein Verheimlichen, die Naturgesetze sind unbestechlich. Du wirst zu einem Maschinentier, kraftstrotzend schwer wie ein Stier und pfeilschnell wie ein stürzender Falke. Und Deine Hufe dreschen den Boden, Deine Flügel streichelt der Wind. Du entwickelst Ahnungen für Dinge die eintreffen. Du handelst. Es ist Motorrad-Zen.
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hallo ! ich geniesse es schöne und kurvenreiche landstr. zu fahren. der rapsduft im frühjahr. der wind ,der an helm und kleidung zippelt. kurzum ein schönes gefühl auf dem bike zu sitzen. hoffentlich gehts bald wieder los. schönen tag noch p.s. andy und bsn biker. habt ihr meine mail bekommen?
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Hi Zapper wenn du das selber geschrieben hast: Groooooooßes Kompliment!!! Echt sehr treffend Jürgen
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nach dem ich schon halb tod war,und 2002 eine lebertransplantation bekommen habe suchte ich einen neuen lebenssinn,meine frau schenkte mir ein halbes jahr nach meiner transplantation die kleine virago,und seit dem freue ich mich auf jeden neuen tag an dem ich fahren kann.
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