
Für Sonntag, den 16. Juli 2023 verabredeten sich 4 NetbikerInnen mit 3 Moppeds zu einer Eifelrunde.
Im Vorfeld, ich hatte mich als Guide aufgedrängt und keiner hat widersprochen, reservierte ich einen Tisch in der Burgschänke in Aremberg. Meine Wunschuhrzeit von 13:00h stellte die Wirtin in Frage und meinte, dass gegen 14:00h eine größere Gruppe avisiert sei, und dass es für alle Beteiligten doch stressfreier sei, wenn wir schon um 12:00h kämen.
Mutig und ohne groß nachzudenken sagte ich zu. Klar, mit Britta, Thomas und Marion bei mir hinten drauf, packen wir locker die 3-Stunden-Strecke, die mein Navy für die kurvenreiche Tour ausbaldowert hatte, in 2 Stunden. Dachte ich. Zuerst.
Dann ging ich schlafen. Wie ein Mantra betete ich mir vor:
3 Stunden in 2 Stunden geht. 130 KM kurvenreiche Strecke auf kleinen Sträßchen in 2 Stunden geht. Das muss gehen. Scheiß auf den Führerschein, scheiß auf den Gegenverkehr, das geht. Muss!
Wenn nicht, räumt der Kellner unseren Tisch ab, bevor er gedeckt ist.
Das geht nicht!
3 Stunden in 2 Stu.... *schnarch*
Um 8 Uhr wurde ich wach. Ausgeschlafen und gut gelaunt. An sich schon ein Widerspruch in sich, dass ich gut gelaunt aufwache, aber heute früh war es so. Bis....
3 Stunden in 2 Stunden.... Zack, war die gute Laune der Angst um ein verpasstes Mittagessen in Verbindung mit dem Rick-Bashing der Gruppe, was mich garantiert erwartet hätte, gewichen.
Ich radelte erst mal zum Bäcker, mir ein Frühstück zu organisieren. Ich beschloss der Gruppe einfach zu verschweigen, dass ich angesichts eines verpassten Mittagessens, egoistischerweise für mein eigen leiblich Wohl gesorgt hatte.
Hab ich`s verraten? Wo ist die Löschtaste?
Kurz vor 9 Uhr trudelte Marion bei mir ein und wir erschienen 10 Minuten vor der verabredeten Zeit am Treffpunkt. Britta wartete schon auf uns (sie leidet vielleicht unter seniler Bettflucht, denn sie verriet, dass sie vorher schon ihr Bad geputzt hatte. Wer macht sowas am frühen Sonntagmorgen, wenn er oder sie nicht unter seniler Bettflucht leidet? Andererseits, sie ist 10 Jahre jünger als ich. Wenn in der Gruppe einer senil ist, dann bin ich das!) .
Thomas rollte gleichzeitig mit uns auf das Gelände der SVG-Tankstelle am Bonner Verteiler.
Britta und Thomas hab ich vergangenen Herbst zuletzt gesehen und Marion kannte die beiden noch gar nicht.
Einer sehr herzlichen Begrüßung folgte nun ein ausführlicher Austausch der Erlebnisse seit letztem Herbst, den Erfahrungen mit alten und neuen Reifen... Irgendwann hörte ich gar nicht mehr hin, sah nur noch auf die Uhr und unser Mittagessen vor meinem inneren Auge ungegessen verschwinden.
Zaghaft versuchte ich in halblautem schüchternen Ton, der mir nun mal eigen ist, den Redefluss zu unterbrechen. Ich setzte einmal an, ich setzte zum zweiten mal an und nach dem dritten erfolglosen Versuch verschwand meine Schüchternheit, die mir nun mal eigen ist. Ach, das hab ich ja schon erwähnt.
Ich fand Gehör und schilderte die Dringlichkeit unserer bevorstehenden Notlage in Verbindung mit dem wahrscheinlich baldigen Hungertod. Plötzlich, ich war noch gar nicht fertig mit der Schilderung von möglichen ausgemergelten Leichenfunden in Motorradkombis, die dem Leser der Boulevardpresse in einigen Tagen präsentiert würden, da hatten alle ihren Helm auf, die Handschuhe an und Britta machte „Hüaaaaah“ in meine Richtung.
Los ging`s. Endlich.
Marion, meine Tracer und ich bildeten sofort wieder eine Einheit, Brittas KTM-Scheinwerfer klebten sich in meinen Rückspiegel und Thomas mit seinen neuen Reifen meinte, dass er erst mal gut am hinteren Ende der Gruppe aufgehoben ist.
Das allerbeste nach dem Verlassen der Autobahn hinter dem Meckenheimer Kreuz war das Bewußtsein, dass ich den beiden nicht davonfahren kann. Sie konnten nicht verloren gehen, egal wen ich wann oder wo überhole, die beiden folgen mir. Ich hatte eher etwas Sorge, dass ich den beiden die ein oder andere Kurve zuparke. In den Pausen haben sie mir zwar versichert, dass das nicht der Fall sei, aber vielleicht wollten sie auch nur „nett“ zu mir sein?
Über kleine und allerkleinste Straßen und Sträßchen mit weiteren und engeren Kurven und mit Haarnadelkehren und zwischendurch einer Schüppe Dreck unter den Reifen ging es über Hilberath nach Berg, nach Ober- und Unterkrälingen, Binzenbach, Plittersdorf, Olbliers und Liers hinunter ins Ahrtal. Wenn ich Thomas im Rückspiegel nicht sehen konnte, lag das an Brittas Scheinwerfern, die selben komplett ausfüllten. DAS WAR SO GEIL!!! Die Fahrt, nicht die Scheinwerfer.
Die Ahrbrücke bei Liers ist nach der Flut endlich repariert und so konnten wir diese phantastischen Kurven heute wieder fahren.
In den von Insul aus gut ausgebauten Kehren hoch nach Sierscheid überholten uns kurz vor einer Haarnadelkurve eine GS und eine Triumph. Leicht verdutzt registrierte ich diese Überholmanöver in dem festen Glauben nicht ganz langsam unterwegs zu sein. Von Britta hörte ich später, dass sie brutal zum Bremsen gezwungen war, weil der Triumphfahrer sich in die nicht vorhandene Lücke zwischen ihr und mir presste. Hiermit entschuldige ich mich der GS und der Triumph für`s Kurvenzuparken. Arschlöcher gibt`s.
Mein Angebot, die Guiderolle bei der Abfahrt von Harscheid nach Schuld abzugeben und freie Fahrt für Britta und Thomas zu signalisieren lehnten die beiden entschieden ab. Danke dafür.
Auf dem Weg nach Reifferscheid und nach einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass wir weit vor 12 Uhr in der Burgschänke ankommen. Irgendwie waren es doch nicht so viele Kilometer geworden oder lag es einfach daran, dass wir gnadenlos flott unterwegs waren? Wahrscheinlich hatten wir uns selbst unterwegs überholt.
Leicht beschämt ob meines Stresses, den ich bei der Abfahrt verbreitet hatte, beschloss ich stillschweigend ein paar Umwege in die ursprünglich geplante Strecke einzubauen. Von Antweiler nach Müsch und Dorsel schwenkte ich kurz vor Aremberg nochmal runter nach Antweiler, von dort an der Ahr entlang über Eichenbach überholten wir uns nochmal selbst und rollten Punkt 11:58h auf den Parkplatz der Burgschänke in Aremberg, quasi durch die Hintertür.
Ich weiß nicht ob dieses Täuschungsmanöver jemand bemerkt hat. Spätestens jetzt!
Eine Handvoll Wanderer wartete vor uns auf den Einlass in die Gaststätte, die pünktlich um 12 Uhr Mittags ihre Pforte öffnete.
Unseren Wunsch, draußen auf der Terrasse zu speisen, würgte der ansonsten recht freundliche Kellner mit den Worten ab, dass uns angesichts des leichten Windes, der dort oben wehte, unser Essen vom Teller fliegen würde. Den Aperitiv würde er sehr gerne draußen servieren (seine Worte!) aber zum Speisen empfahl er uns die gastlichen Innenräume.
Leicht indigniert nahmen wir im Außenbereich Platz. Die Halblitergläser mit unserem Aperitiv wurden schon mal nicht vom Winde verweht. Doch die Wespen und Hornissen, die verzweifelt versuchten, den Inhalt unserer Gläser zu erreichen, verfehlten ob der Windböen ihr Ziel.
Ein Highlight war der Technikfortschritt in diesem Eifelörtchen, dass erst seit einigen Tagen über Bürgersteige, fließend Wasser, Strom und Glasfaserkabel verfügt.
Es gab einen vollautomatischen Umblätterer für analoge Speisekarten. Dieser Automat blätterte so schnell die Seiten um, dass trotz Lesebrille noch nicht mal die Vorspeisen zu entziffern waren. Mit aller Kraft hielten wir zu dritt die Speisekarte fest, damit der vierte entziffern und vorlesen konnte, was es zu essen geben sollte.
Okay, diese leichte Übertreibung ist jetzt meinem Schriftstellerübertreibungsgen geschuldet. Ganz so war es nicht.
Irgendwie schaffte es jeder für sich eine Speise auszuwählen und nachdem der Kellner es gegen den Sturm geschafft hatte, unseren Tisch zu erreichen, bestellten wir. Wir mussten auch nicht brüllen dabei, denn der Kellner stand im Wind.
Kräutersalat, Schnitzel, Rehragout und Rinderleber würden dann bei Fertigstellung drinnen serviert, brüllte der Kellner gegen den Wind.
Spätestens als ich versuchte, eine Zigarette zu drehen, mir das Blättchen und die Tabakskrümel mehrfach aus der Hand geweht wurden, konnte ich der Schlussfolgerung des Kellners folgen. Es war eine weise Entscheidung, das Essen nicht draußen bei dieser leichten Brise zu servieren.
Ganz entspannt, denn ich war mir nun sicher, nicht den Hungertod mit anschließendem Rick-Bashing erleiden zu müssen, folgte ich nun der Fortsetzung der eingangs so rabiat von mir unterbrochenen Gespräche.
Irgendwann ertönte der Ruf „Essen ist fertig“ und wir begaben uns in die windstillen Innenräume der Gastwirtschaft.
Dieses Essen war richtig gut. Es geht hier nicht um XXL-Schnitzel mit möglichst viel Pommes und Schlagmichtod, sondern es war einfach nur gut. Reichhaltig, schmackhaft mit frischen Zutaten für einen fairen Preis. Nicht billig, nicht teuer, sondern fair.
Nach dem Mahl beschäftigte ich mich mit der Planung der Routenfortsetzung. Laut meinem Navy wären wir in ein einhalb Stunden wieder in Bonn.
Britta äußerte den Wunsch, noch ganz lange nicht nach Hause zu müssen (eigentlich wollte sie gar nicht mehr zurück) und nach einer kurzen Umplanung ging es weiter über Ahrbrück durchs Kesselinger Tal, über Cassel, Weibern, Langenfeld Richtung Acht. Kurz vor dem nächsten Dorf überholte ich einen älteren Herrn auf seinem Fahrrad, durchquerte den idyllischen Weiler und stellte beim Blick in den Rückspiegel fest, dass dieser plötzlich leer war. Nicht wirklich leer.
Brittas Scheinwerfer fehlten. Sie waren einfach weg und anstatt mich des Rückblicks auf grüne Bäume und blauen Himmel zu erfreuen, bemächtigte sich meiner eine gewisse Sorge. Thomas war auch nicht mehr zu sehen. Ich hielt an, beantwortete Marions Frage nach dem warum und wartete erst mal ab. Nach einigen Momenten kam ein anderes Motorrad von hinten und da ich Brittas Abneigung überholt zu werden kenne, vertiefte sich meine Sorge.
Etwas unbeholfen, unbeholfen nicht zuletzt dank des zusätzlichen Gewichts der Sozia, setzte ich zur Wende am Berg an. Von rechts kam keiner, von links auch nicht, also setzte ich elegant zur Wende an. Etwa bis zur Mitte der Straße. Etwa bis dahin sah es wohl elegant aus.
Nur bis zur Mitte der Straße.
Marion ist eine grandiose Sozia. Gerade rechtzeitig bevor die Tracer zum Liegen kam, rutschte sie, also Marion, nicht die Tracer, von der Sitzbank, packte entschlossen den Soziahaltegriff und rettete mich vor der Schande eine Liegendwende durchzuführen. Gibt`s das überhaupt? Eine Liegendwende? Ist mir gerade eine Neuwortschöpfung gelungen?
Völlig nebensächlich. In solchen Momenten sind Neuwortschöpfungen völlig nebensächlich.
Marion saß wieder auf und just in dem Augenblick erschienen Britta und Thomas. Auf unserer Höhe angelangt befahl ich ihnen mit einem lauten Röcheln, zu warten, bloß nicht umzukehren. Kannte ich doch die Tücken dieses Wendeplatzes.
Marion und ich rollten entspannt ein Stück des Weges zurück bis wir eine größere Fläche erreichten, auf der wir, geschickt wie ich nun mal bin, eine elegante Kehrtwende ohne Liegendphase einleiteten. Auch die Endphase gelang. Hat jemand etwas anderes erwartet?.
Wieder bei Britta und Thomas angekommen hörte ich von einem Disput.
Ein Disput, an dem ich schuld war. Der ältere Herr mit dem Fahrrad, den ich kurz zuvor überholt hatte, schimpfte wohl in einer Lautstärke über rücksichtslose Motorradfahrer, die laut und viel zu schnell jedes Sonntagsfeeling seiner Heimat zerstörten.
Britta hielt darauf an und begann einen sinnlosen Disput darüber, dass wir, also WIR, weder laut noch schnell durch Dörfer fahren, dabei weder Kinder, Hühner und ältere Herren auf ihren Fahrrädern gefährden.
Ich verstehe den Ärger des Mannes, auch wenn ich weiß, dass wir grundsätzlich rücksichtsvoll unterwegs sind. Aber wenn viel zu oft hirnlose Idioten viel zu laut und viel zu schnell dörfliche Idyllen stören, dann entwickelt sich bei einigen Bewohnern eine Abneigung gegen jeden Motorradfahrer. Das verstehe ich sehr gut!
Das war`s eigentlich schon. Marion hatte einen Termin um 18Uhr, Britta wollte noch ein wenig die Eifel genießen und so trennten wir uns kurz darauf.
Nach einem herzlichen Abschied mit dem Ausdruck des Bedauerns über die viel zu kurze gemeinsamen Ausfahrt, schloss sich Thomas Britta an und Marion und ich rollten Richtung Heimat. Auf dem Heimweg zeigte ich Marion das Dorf in dem ich aufgewachsen war und die Stelle an der ich vor 43 Jahren die Wildsau getötet hatte. In Bad Breisig genossen wir noch ein Abschlusseis am Rhein bevor wir die Heimreise nach Meindorf am Rhein entlang antraten.
Es war ein wunderschöner Tag. Das Wetter war gnädig mit 19 bis 25 °Grad, die Kurven phantastisch und der Verkehr um den Nürburgring trotz Truck-Grand-Prix erträglich.
Danke an meine GesellschafterInnen für diesen unvergesslichen Tag.
Kommentare 7
Tom_66
Hi Rick,
ich wollte mich nochmals für den wirklich tollen Tag gestern in hervorragender Gesellschaft bedanken und auch für deine Mühen bei der Planung. Können wir gerne wiederholen. Britta und ich sind ja noch weitergefahren und wollten noch ein paar Kilometer durch die Eifel machen. Sind dann im "4 Winden", eigentlich nur auf einen Kaffee, eingekehrt und haben uns total verquatscht, sodass es ziemlich spät wurde und jeder zügig seinen Heimweg angetreten hat. Wirklich ein unvergesslicher Tag
Rick Autor
Dankeschön
Majoon
Die Tour war wirklich toll, das Essen lecker und ich hab mich sehr gefreut, Thomas und Britta kennenzulernen. 😊
Und danke für die Blumen - der Gedanke an eine in Zeitlupe zu Boden gerutschte Tracy war einfach unerträglich, da musste ich was tun. 😁
Ich bin auch froh, dass es nur der verärgerte alte Herr war, der Britta und Thomas aufgehalten hatte, alles andere wäre sicher nicht so harmlos zewesen.
Und die Geschichtsstunde war auch spannend. Jupp, ich weiß jetzt, wo die Sau Ihr Ende fand und wie weit der Weg zu Fuß war danach. 😱
Gerne wieder Eifel und gerne auch wieder in der Konstellation, das war klasse!
Übrigens habe ich Britta auch ohne Rückspiegel wahrgenommen, denn ihre KTM brummte hinter mir in der Tonlage eines Helikopters, was ich jetzt echt nicht schlimm fand. 😁
PS: Im ersten Teil des Berichts las es sich beim ersten Mal, als wenn Britta, Thomas und ich bei Dir aufgestiegen wären. Ich hatte Bilder dazu im Kopf. 🤣
Rick Autor
Dankeschön
Roadrunner72
Wie immer klasse geschrieben, Rick! 👍
Rick Autor
Dankeschön
Zehfuer1993
Einen sehr tollen Tag hattet Ihr