"Startnummer 119" ... noch zehn Fahrzeuge vor mir. Langsam wächst die Anspannung. Motorrad und Fahrer werden einzeln den Zuschauern vorgestellt und ihre Motoren an der Startlinie zum Leben erweckt. Um mich herum piekfein restaurierte Maschinen der Baujahre 1919 bis 1979, von denen etliche den Weg nach Bad Bergzabern im Hänger bewältigten.
Die kleine Sport Desmo will da nicht recht reinpassen: Relativ jung, optisch vergleichsweise schrill und völlig unrestauriert steht sie inmitten liebevoll gepflegter Schätze, die fast ausnahmslos nach dem ersten Tritt Arbeitsgeräusche vermelden. Ich erinnere mich mit Grauen an das massive Startproblem meiner Diva, das bislang die Unterstützung einer starken Dieselbatterie und zehnminütiges Georgel mit zwischenzeitlichem Kerzenlüften erforderte.
Doch die Diva liebt das Publikum. Kaum berühre ich den Startknopf, erhebt sie ihre Stimme und zieht mit tiefem Grollen davon. Für die Zuschauer schließe ich gleich wieder die Drosselklappen, denn das Schlürfen im Schiebebetrieb ist der beste Teil der Soundkulisse. Und um Zeiten geht's hier ohnehin nicht.
Ganz unter uns: Völlig improvisiert ist diese Vorstellung nicht. Ein Nachhilfelehrer hatte sich ihrer größten Schwäche angenommen. An den Zwangsvorstellungen ihres eigenwilligen Köpfchens lag es nicht, die Organe zur Nahrungsausfnahme erschienen ohne Befund und der Impuls für ihren Herzschlag erfolgte auch im rechten Moment. Der Spezialist begann an sich zu zweifeln, machte sich aber noch mal ans Werk mit dem Hinweis, dass er schließlich einen Ruf zu verlieren habe.
Während ich ihm huldige, beginnt die Diva im ersten Bergauf-Stück zu hüsteln. Klar, bisher hatten wir uns nur ihrer Nervosität vor dem Auftritt gewidmet. Die erste Hälfte ihres Stimmumfangs war schon akzeptabel, den nachfolgenden Teil wollte ich in Eigenregie lösen. Nein, ich entscheide mich zum Abbruch und steuere die nächste Tanke an. Nach dem Kerzenwechsel läuft sie besser, doch mehr als cinque mille kann ich ihr nicht entlocken. Ist auch besser so, denn die kleine Italienerin wirft mit Schmiermittel gerade so um sich. Beinahe 40 Jahre alte Dichtungen sind in einer Bibliothek nun mal besser aufgehoben. So halte ich alle zehn Kilometer an, wische das Öl von der Wanne, bevor es der Fahrtwind auf den Hinterreifen bläst. Mitleidige Blicke vorbeiziehender BMW-Fahrer aus dem Klassik-Segment habe ich schon mal sicher.
Ich beginne, mich an die gefaltete Sitzposition zu gewöhnen und stelle fest, dass die Ducati längst nicht so unhandlich ist wie bislang empfunden. Bergab dreht der Motor deutlich besser, ich erfreue mich an der großen Schräglagenfreiheit, den erstaunlichen Bremsen und dem Sound, der etwas an Grand-Prix erinnert. Vielleicht ist es auch der Ölgeruch, den ich immer in der Nase habe.
Am späten Nachmittag geht die Veranstaltung zu Ende. Eine sympathische Szene, schöne Motorräder gesehen, nette Mitfahrer getroffen und viele Passanten, die uns den Finger zeigen - den Daumen, meine ich. Erlebt man im Alltag nicht häufig. Ach ja, einen Pokal krieg ich auch noch; wofür weiß ich nicht recht. Vermutlich irgendwas in der Ölwertung.
(Beim Aufräumen wiedergefunden)
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