
Hinreise #1
Hinreise nach Bertinoro in Italien - dem eigentlichen Startpunkt der Offroad-Tour.
Spontane Reisen sind meist die Besten...
Meine Freundin Bea erzählte so ganz nebenbei, daß sie mit zwei weiteren Begleitern demnächst die ACT-Italia fahren würde. Augenblicklich war ich wie elektrisiert, denn die war mir aus dem Jahr 2021 bekannt (siehe Blog), in dem ich unglücklich stürzte und mir einen Fußknöchel brach, sodaß ich den letzten Tag der Offroadstrecke nicht mehr befahren konnte.
Es blieben nur wenige Tage, um mit meiner Frau und der Firma abzuklären, ob ich so kurzfristig frei bekommen könnte um mit zu fahren. Aber das schier unögliche glang. Hurra!
Wem der Begriff ACT oder ACT-Italia noch unbekannt ist, der kann auf der Webseite https://adventurecountrytracks.com nachlesen, daß es sich um einen Verein handelt, der in jedem europäischen Land je eine Offroad-Strecke mit örtlichen Behörden koordiniert, die legal befahren werden dürfen. Es sind immer je 5 Tour-Tage mit gesamt ca. 1.000 Km.
Aus unterschiedlichen Orten kommend, wollten wir - Bea, Maze, Helmut und ich - die Tour zu viert bewältigen und uns dazu erst beim eigentlichen Startort Bertinoro in Italien zusammenfinden.
Bea war mit ihrer BMW GS 750 derweil schon in Italien.
Maze und Helmut wollten mit Harley Davidson Pan America bzw. KTM 990 Adventure aus dem Raum Stuttgart wetterbdingt per Transporter anreisen; dann in einem Rutsch.
Mangels Transporter fuhr ich mit meiner KTM 890 Adventure auf eigener Achse aus dem Raum Regensburg los.
Da der Wetterbericht mindestens für die Hinreise durchgehend Regen meldete, wollte ich wenigstens einen Teil der Fahrt noch am Freitag nach der Arbeit schaffen.
Es macht unbeschreibliche Freude, schon zu Beginn einer Reise, das Motorrad im Regen zu packen und los zu fahren. Aber bis Österrreich wollte ich es schaffen...
Reichlich durchnässt, erreichte ich am Abend nach Dauerregen aber unter weitgehender Vermeidung von Autobahnen mein Etappenziel: den empfehlenswerten Gasthof "Franziskibad" in Bad Häring bei Wörgl.
Hinreise #2
Zu Beginn des Tages sah der Himmel erfreulicherweise "nur" grau aus; das änderte sich jedoch schnell. Daher zog ich es vor, solange es regnen würde, auf der Autobahn zu bleiben.
Am Brenner kam zum Regen natürlich noch die Kälte: bei ca. 5 Grad tankte ich mit zittrigen Fingern. Aber noch gut gelaunt - es kann ja nur besser werden!
Nein, ich friere nicht - ich friere nicht - ich friere nicht...
Meine Laune hob sich deutlich, als es ab Bozen endlich wärmer und auch trocken wurde. Eigentlich wollte ich an diesem Tag bis etwa Trient fahren, um mit Bea zusammen zu treffen (sie kam aus der Gegend um Udine herüber). Aber Kommunikation und dynamische Koordination ist beim Motorradfahren etwas schwierig. Irgendwann war dann klar, daß sie schon weiter als gedacht war und im Raum Ravenna übernachten würde. Wenn ich sie noch treffen wollte, sollte mich sputen um auch noch bis dorthin zu kommen. Also weiter Autobahn...
In Cervia bei Ravenna angekommen - das Sitzfleisch war schon ein Wenig taub - schlenderten wir noch barfuß am Strand bei 29°. Ein wirklich krönender Abschluß war dann das Abendessen im erstklassigen Fischrestaurant Ristorante al Pirata, das wir beim herumspazieren zufällig fanden. Wir hatten soviel Freude uns mal wieder zu sehen, daß eine ganze Flasche des perfekt empfohlenen Weines plötzlich leer war...
Hinreise #3
Eigentlich waren wir am Vortag schon zu weit gefahren - wir waren da schon in der Nähe von Bertinoro. Aber Bea wollte noch einen entspannten Abend am Meer; das hatten wir ja gut hinbekommen
So starteten wir an diesem Morgen zu einer kleinen Sightseeing-Tour zur vermutlich ältesten Republik: San Marino; Beiname La Serenissima (die Allerdurchlauchteste). Sie hat die älteste noch gültige Verfassung und wird seit 1243 durch zwei gewählte „Capitani Reggenti“ für jeweils sechs Monate als gemeinsames Staatsoberhaupt regiert. Dies ist so bis heute beibehalten worden.
Bei einer Fläche von nur ca. 60 Km² dauerte unsere Besichtigung nicht sehr lange und so blieb später in Bertinoro eingetroffen, reichlich Zeit für einen "Nachmittagscocktail" in der Freiluftbar "Enoteca Colonna panorama".
Um den Verdacht des Faulenzens zu entkräften, pflegten wir wenigstens noch Maschine und Material - wuschen sogar die erste Wäsche - bevor wir ein Lokal für's Abendessen suchten.
Fündig wurden wir im Ristorante "Pizzeria La Grotta", in dem uns das wohl weltbeste Steak sehr freundlich und charmant servierte wurde.
Unser restliches Team schmorte derweil noch im Transporter auf der Autobahn im Stau und traf erst spät bei unserer Unterkunft "Agriturismo Sette Colonne" ein.
So schön und entspannt wie der Tag verlief - so unschön endete er jäh: kaum waren Maze und Helmut in unserer Unterkunft angekommen, da erhielt Helmut die Nachricht von zu Hause, daß sein Haus and das vieler Nachbarn, durch das in Deutschland immer noch andauernde Regen-Unwetter überflutet wurde!
Es war schnell klar, daß er daher die Tour nicht mit uns zusammen fahren konnte. Wir luden daher sein Motorrad gleich wieder in den Transporter ein, und er machte sich sofort wieder auf den Rückweg.
Tourtag #1
Mit gemischten Gefühlen wachten wir am Morgen auf: zum Einen, weil Helmut - jetzt wieder zu Hause - gegen das Wasser kämpfen musste. Zum Anderen, weil auch wir schon wieder Wasser von oben bekamen! Aber wir ließen uns nicht Bange machen (noch nicht) und starteten unsere Tour in der Emilia Romagna mit einem gemeinsamen Foto auf dem Rathausplatz in Bertionoro.
Auf den Teerstraßen kamen wir trotz Regen gut voran, doch ungeteerte Feld- und Waldwege wurden immer rutschiger. Am Nachmittag war es dann soweit: auf einem völlig aufgeweichten Weg stürzte Maze. Zwar blieb er unverletzt, doch als wir ihm zu Hilfe eilten, blieben wir zu Fuß fast im weichen Lehm stecken. Mühselig hoben wir das Motorrad wieder auf und zerrten die Fuhre gemeinsam auf festen Boden zurück.
Es lag noch reichlich Strecke vor uns, doch es war ungewiss, wieviele solcher unbefahrbaren Stellen es noch geben würde. So beschlossen wir, das Gelände zu verlassen und uns ein Hotel für die Nacht zu suchen.
Leichter gedacht als getan: im Regen ein Handy bedienen zu wollen, kann einen verzweifeln lassen. Und wenn Booking.com und Google-Maps keine Treffer in dem Gebiet zeigen, dann wird's ungemütlich! Gott sei Dank spricht Bea ein Wenig Italienisch - und so machten wir uns auf zum nächstgelegenen Hotel (ohne Website, ohne Tel.Nr.) - um vor Ort einfach mal zu fragen.
Während der Fahrt nahm ich dann aus den Augenwinkeln ein unscheinbare Schild wahr, auf dem ich das Wort "Relais" gerade noch erkennen konnte.
Wir beschlossen, dem Schild in einen Feldweg hinein zu folgen. Und nach ein paar Kilometern - wir wollten schon fast aufgeben - erschien ein tristes Gebäude aus grauem Bruchstein: sah aus wie ein Kloster (...war es ja auch mal). Doch inzwischen sollte es ein Hotel sein. Zu unserem Erstaunen öffnete sich eine automatische Glas-Türe und eine freundliche Stimme hieß uns willkommen. Irgendwie fühlte es sich and wie "gerettet"!
Es war tatsächlich ein Hotel - und was für eines! Relais Monastero di Sant'Alberico, irgendwo im Nirgendwo. Und sie hatten noch ein Zimmer frei!
Eines für drei Personen?
Nein, eine Suite mit 3 Schlafzimmern!!
Ob wir uns das leisten konnten??
Wir konnten; es war eigentlich fast billiger als "normale" Hotels in der Gegend.
Als wir dann die Bar, das Restaurant, und vor allem unser "Zimmer" sahen, wollten wir gar nicht mehr weg
Tourtag #2
Am Morgen versöhnte uns die aufkommende Sonne dann endgültig. Gut ausgeruht und gestärkt verließen wir das Hotel - irgendwie ungern - und suchten einen Weg zurück auf den ACT-Track.
Der bescherte uns bald eine Überraschung: schon wieder Wasser! An einer Furt durchquerten wir mit heftigem Pulsschlag ein kleines Flüsschen. Technisch gesehen war es keine große Schwierigkeit - nur der glitschige Untergrund trieb das Adrenalin. Und Gedanken schossen durch den Kopf: "...sind Handy und Kamera eigentlich wasserdicht? Wo sind die wichtigsten Papiere? Wie krieg ich nach einem Sturz das Wasser aus dem Motor?..."
Nach der Furt konnte uns mit unseren frisch gewaschenen Motorrädern eigentlich nichts mehr aufhalten. Eigentlich...
Der Track führte uns bald wieder raus aus der Toskana und wechselte dann mal in die Reigion Marken und später in die Region Umbrien. Da erwarteten uns neue Herausforderungen: Einer nach dem Anderen trennte sich mal zwanglos von seinem motorisierten Untersatz
Aber das stärkte den Zusammenhalt in der Gruppe und die Entschlossenheit: "wir schaffen das"! Gemeinsam fährt, oder läuft man zurück und hilft dem Gestürzten wieder auf die Beine. Die Geschwindigkeiten sind beim Offroad-Fahren so niedrig, daß bei einem Sturz eigentlich keine größeren Verletzungen oder Schäden am Motorrad zu erwarten sind.
Also aufstehen, Staub abschütteln, Krönchen richten - und weiter...
Am Nachmittag fanden wir in dem süßen Örtchen Pietralunga erst eine Pizzeria gegen den Hunger und dann auch nach etlichem Fragen auch ein Hotel (dank Bea's Sprachkenntnis): Tinca&Aldo. Eine Gestalt - wohl ein Mann - aber in geschlechtsunspezifischer Kleidung, dafür mit Frauenperücke empfing uns freunlich. Da es das einzige Hotel weit und breit war, nahmen wir die Zimmer. Die waren absolut ok und sauber!
Es war also eher verwunderlich, daß er/sie/es uns verdreckte Gestalten überhaupt aufnahm.
Tourtag #3
Am Morgen verließen wir Pietralunga und damit Umbrien und wechselten wieder in die Region Marken. An diesem Tag sollte es hoch hinausgehen: der Monte Nerone mit 1525m und der Monte Catria mit 1701m standen auf dem Plan. Wieder ganz andere Bedingungen, die uns erst durch ein Meer von Ginsterbüschen mit honigsüßem Duft führten. Später dann auf die Strecke des Giro d'Italia. An einer Gedenktafel angekommen reihten wir uns der Inschrift nach wohl ein, in die Reihen derer "...die den Giro legendär gemacht haben".
Der Weg über den Monte Catria war steinig, anstrengend und manchmal nicht leicht zu finden. Bei 30° suchten wir öfters Schatten unter einem Baum, um die Navigation für den nächsten Abschnitt zu prüfen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir in Umbrien das Ziel: Passignano sul Lago Trasimeno. Das obligatorische "Stiefelbier" war dann auch mit einem Zisch weg
Das hatten wir uns heute redlich verdient! Die übliche Suche nach einer passenden Unterkunft für die Nacht brachte Erfreuliches: das Restaurant in dem wir zufällig den ersten Halt für das "Stiefelbier" machten, hatte auch Zimmer. So brauchten wir gar nicht mehr aufstehen. Prost!
Vor uns die Uferprommenade, neben uns das Restaurant Non solo Pizza, hinter uns die Unterkunft - wir wollen hier eigentlich nie wieder weg!
Ein zwar anstrengender, aber super schöner Tag neigte sich dem Ende - wie im Bilderbuch. Fast schon kitschig.
P.S. das wirkliche Ende des Tages im Restaurant, war nicht minder spannend: während wir unser Essen (und uns selbst) gegen 5 Trillionen Florfliegen verteidigten, saßen über unseren Köpfen etliche Geckos an der Wand und fingen die geflügelten Biester für ein fettes Mahl.
Tourtag #4
Schneller Check am Morgen: unsere Motorräder stehen immer noch wohlbehalten an der Uferprommenade; Gott sei Dank. Also schnell packen, Zimmer räumen und ein Café zum Frühstücken suchen. Das fand sich gleich neben unserer Unterkunft; ganz typisch italienisch standen dort 4 Leute am Tresen, tranken ihren Capucco und unterhielten sich leidenschaftlich in einer Lautstärke wie im Fußballstadion
Wir fanden derweil ein Tischchen in der Sonne und teilten unser Frühstück mit gar nicht schüchternen Spatzen.
Ab jetzt ging's dann in den Teil der Toskana - so wie man sie sich vorstellt: sanfte Hügel, Weinberge, mit Zypressen gesäumte Wege, die zu römisch anmutenden Villen führen. Legendäre Weindörfer wie Montepulciano oder Orvieto. Immer wieder auch mal ein Bach, der durchquert werden muß. Wir fahren durch das Val d'Orcia und kommen an etlichen Thermalbädern mit Heilquellen vorbei: San Quirico d'Orcia, Bagno Vignoni, Castiglione d'Orcia, z.B. Antiche Terme Romane Libere. Oder an anderen Sehenswürdigkeiten wie: Capella della Madonna di Vitaleta, Podere Belvedere, oder dem Shooting spot aus dem Film Gladiator.
Die Touristischen Highligts lassen wir "links liegen" und finden dafür unseren ganz privaten Badespaß unterm Wasserfall
Als gebürtiger Franke mußte ich später noch auf einen Pilgerweg: die Via Francigena (auch Frankenweg genannt), der die Pilger auf ihrem Weg vom Frankenreich oder von England aus, nach Rom zur Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus führte.
Nicht nur für die Pilger damals - auch für uns heute - kam das hübsche Örtchen Radicofani mit seiner mächtigen Wehranlage für eine Rast gerde recht. Eine kleine einfache Brotzeit - wie es nur die Italiener können - auf einem kleinen blumengeschmückten Platz inmittten der Altstadt, lässt einen glauben, dem Himmel ein Stück näher zu sein (das war vielleicht auch die Absicht der Mönche, welche die Wehranlage um 973 errichteten).
Der weitere Weg führte uns dann ein Stück duch die Region Latium - um dann doch noch einmal mit einen Schwenk in die Region Umbrien - Orvieto zu erreichen. Majestätisch tront die wohl schon von den Etruskern erbaute Stadt auf einem Hügel aus Tuff-Gestein, der im Mittelalter sogar Päpsten als Residenz diente. Der Dom, interessante Bauwerke, ein sagenhafter Brunnen und der Weißwein Orvieto ziehen doch viele Touristen an. So daß wir etwas außerhalb auf dem Agriturismo Cioccoleta inmitten von Weinbergen und friedlicher Stille übernachteten. Bei einsetzender Dunkelheit erreichten wir den liebenswerten Bauernhof mit toll eingerichteten Zimmern und einer sehr sympathischen Wirtin.
Tourtag #5
Ein tolles Frühstück im ländlich und liebevoll eingerichteten "Wohnzimmer" des Agriturismo schenkte uns Kraft für den kommenden Tag. Schnell noch die am Vorabend gewaschene Wäsche einpacken, und los ging's. An diesem Tag in östlicher Richtung durch Umbrien; erst am Ende des Tages schwenkte die Strecke nach Süden, wieder ins Latium hinein.
Die bergige Strecke - oft durch Wälder, oder mit steilen felsigen Anstiegen - kostete wieder viel Kraft! Gegenseitiges Anschieben am Berg und Aufheben nach Stürzen gehörte dazu! Wir brauchten öfters ein schattiges Plätzchen für eine Rast.
Es war ein langer Kampf - und der Schicksalsberg von 2021 Monte Peritone (siehe Blog) forderte auch diesmal wieder seinen Tribut: je ein verbogener Schalt- und Bremshebel, aber wenigstens keine Verletzungen.
Ich hatte ja schon letztes Mal bezahlt
Den umgesprungenen Schalthebel seiner Harley konnte Maze mit etwas Werkzeug und "knoff hoff" vor Ort selbst reparieren. Den total verbogenen Bremshebel an Beas BMW dengelte der Dorfschmied wieder gerade.
Ein sanfter Abstieg bei wunderschönem Sonnenuntergang versöhnte uns wieder und wir freuten uns auf ein "Stiefelbier" im Zielort Leonessa. Leider war da nach der Europawahl soviel Trubel in den Lokalen und am Marktplatz, so daß unser bestelltes Abendessen nicht kam. Wir mußten schließlich spät in der Nacht abbrechen, um noch im Hotel einchecken zu können.
In Leonessa selbst sind inzwischen keine Hotels mehr. Erbeben, Corona und fehlender Schnee ließen alle sterben. Wir fanden etwas außerhalb noch Zimmer im Hotel Campostella - eigentlich ein Skihotel, das als letztes noch überlebt hatte und jetzt versucht, im Sommer noch etwas Umsatz zu machen.
Das Restaurant war leider geschlossen uns so bestellten wir eben nur eine Flasche Wein; der Kellner brachte uns dazu dann reichlich Chips und Oliven - als Ersatz für ein Abendessen.
Gute Nacht.
Tourtag #6
Am Morgen fragten wir im Hotel nach einer möglichen Werkstatt, um die Bremse von Bea's BMW wieder richten zu lassen. Außer einem Dorfschmied konnte das Hotel nichts empfehlen. Nach meiner Erfahrung von 2021 vertraute ich den Künsten der Dorfschmiede. Und Tatsächlich - der "Allesreparierer" konnte auch den Bremshebel wieder gerade dengeln und bastelte auch noch einen Hitzeschutz für die Bremse, der offensichtlich verloren ging. Bravo!
Wegen der Reparatur verzögerte sich unser wirklicher Aufbruch bis Mittag - so war schon klar, daß wir die letzte Etappe nicht in einem Stück schaffen würden. Später am Nachmittag trafen wir dann noch auf einen frisch aufgeschotterten Weg mit steilem Anstieg. Bei dem Anblick fragten wir uns schon, was sich Straßenbauer in ihren Planierraupen eigentlich denken? Der Rest der Bevölkerung sitzt jedenfalls nicht in Planierraupen, wenn sie diesen Weg befahren wollen! Das war kein Schotter - das waren kindskopfgroße Brocken!!
Maze versuchte als Erster sein Glück und hatte größte Not seine Fuhre am Laufen zu halten. Denn es war klar: nur das Momentum bringt Sicherheit.
Doch am steilsten Stück verließ ihn das Glück - oder seine Kräfte - und er stürzte. Die schwere Harley aufzuheben kostete schon alle Kraft. Sie auch noch den Hang hinauf zu schieben war am Ende unmöglich!
Es wäre wohl ein sinnloses Unterfangen gewesen, alle drei Maschinen den Berg rauf zu bekommen. Also brachen wir an der Stelle ab, rollten mit angekratztem Ego hinunter ins Dorf und suchten erst mal kalte Getränke in der einzigen Bar. Da wir noch einen Tag Karenz in unserer Zeitplanung hatten, beschlossen wir den Tag ganz abzubrechen und ein Hotel zu suchen.
Fündig wurden wir - wieder ein Stück zurück - im Ort L 'Aquila - nahe dem Grand Sasso (höchster Berg Italiens außerhalb der Alpen).
Unser Eintreffen in der Stadt hat uns sehr betroffen gemacht: wir wussten, daß 2009 ein Erdbeben die Stadt schwer zerstört hatte. Der damalige Ministerpräsident Berlusconi versprach rasche Hilfe beim Wiederaufbau. Aber die Mafia hatte die Behörden infiltriert und Hilfsgelder versickerten. In 2014 wurden Stadträte wegen Korruptionsverdacht festgenommen.
Wir sahen immer noch viele Ruinen und behelfsmäßig gesicherte Gebäude mit Plakaten des Protestes und der Klage gegen Korruption. Langsam erst sieht man Erfolge des Wiederaufbaus.
Wir beziehen unsere Unterkunft - B&B Il Rifugio di Indomito Abruzzo - in der Innenstadt und laufen zum Domplatz für ein Abendessen. Da herrschte soviel Leben und Trubel auf dem Platz - Alt neben Jung ging fröhlich und beschwingt miteinander um. Wir wollten gar nicht mehr nach Hause und gönnten uns zum ersten Mal ein echtes itelienisches Eis in einer Eisdiele.
Tourtag #7
Der letzte Tourtag sollte uns von L 'Aquila in der Region Latium nach Fossacesia, dem Zielort in der Region Abruzzen führen. Doch zum Frühstück gönnten wir uns noch etwas vom wahrscheinlich größten Nutella-Glas der Welt
Dann ging's ab Richtung Adria...
Doch zunächst war noch ein Wenig Offroad angesagt. Eigentlich...
Wir waren es ja schon gewoht: erstens kommt es anders - und zweitens als man denkt! Wir hatten uns schon auf eine geile Bergstrecke am Monte Pietra Corniale gefreut. Doch eine große Moto Cross Veranstaltung blockierte den ganzen Berg. Hunderte Trailer und Motorhomes campierten da und es wimmelte von Crossern aller Altersklassen, wie in einem Bienenstock. Und da platzten wir mittenrein. Nein, alles Betteln half nichts - sie wollten uns weder teilnehmen, noch durchfahren lassen. Es blieb also nichts anderes übrig, als das ganze Gebiet großräumig auf einer Bundesstraße zu umfahren.
Gegen Mittag überfuhren wir den Passo Lanciano - eigentlich ein Skigebiet mit herrlicher Passtraße - aber weil es gerade passte blieben wir beim Skilift für einen Imbiss: Ristoro la Baita. Es duftete schon von Weitem und wir konnten nicht widerstehen, die köstlichen Arrosticini (kleine Fleisch-Spießchen) zu probieren.
Am späten Nachmittag war es endlich soweit: wir erreichten das Ziel der ACT-Italia - die Costa dei Trabocchi an der Adriaküste. Wir hatten es ohne Verletzungen oder Schäden geschafft!
Natürlich brauchte es am Ziel erst das übliche "Stiefelbier" und ein gemeinsames Gruppenfoto zum Beweis des Erfolges. Anschließend bezogen wir wieder mal ein Appartement, in dem nach dem Eigentümerwechsel noch schnell die Farbeimer wegeräumt werden mussten...
In den ehemaligen Fischereihütten mit den Netz-Anlagen wird heute kaum noch etwas gefangen, dafür beherbergen sie jetzt meist erstklassige Restaurants. Natürlich auf Fisch spezialisiert.
Wir einigten uns, daß so ein Restaurant ein würdiger Abschluß der Tour wäre und wurden im Restaurant Trabocco Punta Punciosa wirklich belohnt für all die Mühen! Es war ein wunderbarer Abend mit einem tollen Menü - und reeeiiichlich Wein
Rückreise #1
Eigentlich soll man den ACT-Italia in 5 Tagen schaffen können - wir brauchten dafür 7 Tage - und waren fix und alle. Immerhin saß ich jetzt schon 9 1/2 Tage ununterbrochen im Sattel. Mir taten Muskeln weh, von denen ich noch nichtmal wusste dass es die gibt. Nun könnten junge Menschen im Vollbesitz ihrer Kräfte auf die Idee kommen, den Track gerade wieder zurück zu fahren. Uns reichte die Anstrengung aber. Auch weil die vorgesehene Zeit zu Ende ging, entschlossen wir uns für eine zügige Rückfahrt via Autobahn.
Da ja kein Transporter mehr in Bertinoro auf uns wartete, mussten wir nicht mehr zurück zum Ausgangsort, sondern einigten uns auf einen letzten gemeinsamen Abend am Meer.
Mit einer Art Schocktherapie wollten wir uns wieder mit der Zivilisation und vielen Menschen konfrontieren - und stürzten uns nach der Autobahnfahrt mitten hinein ins Touristengewimmel in Riccione
Wie üblich steuerten wir erst eine Bar an, um ein letztes gemeinsames Craft-Bier zu trinken. Erfreulicherweise fanden wir ein günstiges Hotel gleich nebenan. Unerfreulicherweise wollten die uns nicht zu dritt auf nur einem Parkplatz stehen lassen - wir sollten dreimal bezahlen
Dank Bea's Sprachfertigkeit einigten wir uns dann auf nur eine Garage; da durften wir dann bei einem Preis alle drei Motorräder einstellen. Viel Diskussion in Italien eben - aber alles gut am Ende.
Gerade gegenüber dem Hotel fanden wir auch ein Strandlokal für's Abendessen. Im Sand sitzend beobachteten wir den Durchzug einer Gewitterfront und konnten stimmungsfolle Fotos machen.
Ein schöner Ausklang für unsere gemeinsame Reise...
Rückreise #2
Überraschenderweise gab es ein exzellentes Frühstück in dem Hotel, mit einer schönen Aussicht auf den Strand. Leider war jetzt auch die Stunde der Trennung gekommen. Den Rückweg nach Hause trat nun jeder in seine Richtung an - so wie wir auch gekommen waren.
Ein letztes Mal: "eigentlich" - wollte ich eine Zwischenübernachtung auf der Heimfahrt einlegen, irgendwo zwischen Gardasee und Bozen. Ich vermutete, daß ich nach den vielen anstrengenden Tagen und dem harten Sattel meiner KTM einfach nicht länger aushalten würde. Doch zum Einen meldete der Wetterbericht für den nächsten Tag nichts Gutes. Und zum Anderen stellte ich fest, daß sich keine Ermüdung zeigte und ich durchaus noch gut sitzen konnte.
Also brauste ich via Autobahn in einem Rutsch bis nach Hause durch. Wie zur Hinfahrt regnete es zwar in den Alpen, doch ab München war es wieder trocken. So erreichte ich nach fast 10 Stunden Fahrt (mit Pausen) endlich mein Zuhause.
Nach 3.300 Km war ich so glücklich, diesmal unverletzt von der Tour zurück gekommen zu sein. Auch gab es keine Schäden. Und mein Selbstvertrauen auf Offroad-Strecken hat dank der nagelneuen KTM enorm zugenommen. Es war wohl also die richtige Entscheidung gewesen.
Haaach - es macht schon Stolz, Finisher einer ACT zu sein
Wann geht's wieder los...?
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